Jeder Tag ein Frauentag!
FERNSEHEN
Der Kampf hat sich gelohnt. Wir Frauen werden endlich wahrgenommen, geschätzt und von ehrlichen Komplimenten zugedeckt – bei »Birgits starke Frauen«. Bei Sat.1 dürfen die Heldinnen unserer Gesellschaft gemütlich auf einem kuscheligen Sofa in einem weit abgelegen Bauernhaus bei Piccolo und Kaminfeuer die Beine hochlegen. Birgit Schrowange als Gastgeberin mit dem »Herzen am rechten Fleck« (und mit dem Mut zu ungefärbtem Haupthaar, was viel zu selten gewürdigt wird, während man um den deutschen Astronauten – wie hieß er gleich? – wochenlang Wind gemacht hat!) hat eingeladen. Birgit ist »wahnsinnig aufgeregt, so tollen Frauen, die kämpfen, stolpern und immer wieder aufstehen«, in ihrer Sendung eine Stimme zu geben. »Es sind Frauen wie du und ich«, sagt sie und meint eine Frau, die Brände löscht, eine, die im Chor singt, eine, die Tiere sammelt, eine, die Schlager singt, und eine, die schauspielt.
Sofort umarmt uns diese warme »wir sind ja unter uns, wir Mädel«-Stimmung. »Rebecca, erzähl uns doch mal, was findest du denn so besonders an Frauen?« Die Mädels kichern ein bisschen, dann aber kommt es faktenhart: »Frauen machen 50 Prozent der Gesellschaft aus, es wird Zeit, dass wir die wahrnehmen. Sie tragen unsere Welt.« Das ist so was von provokant, das kommt gleich nach »Die Erde ist doch keine Scheibe«. Und es tut so gut, das nicht nur heimlich unter der Bettdecke zu denken, sondern offen auszusprechen.
Dann freut sich Birgit »so riesig auf Monika, die hat ja ’ne Scheißkindheit gehabt.« Die wollte immer singen, musste aber Biologie studieren. Welch ein Horror in dieser Scheißwelt.
Birgit spürt Monikas Schmerz: »Ich spüre, wie verletzt Monika immer noch ist, weil sie nie gelobt wurde.« Monika ist zarte 80 – man sollte meinen, da seien die Wunden verheilt. Weit gefehlt – wenn der Chor nicht wäre …
AnzeigeAuch die Schrowange singt leidenschaftlich gern, denn sie wurde manchmal zu wenig gelobt. Und auch sie fasst Mut: »Ich trau mich einfach mal zu fragen: Ob ich auch Chancen hätte, im Chor mitzumachen?« Diese Unsicherheit, diese Angst vorm Scheitern, das macht nahbar und sympathisch. Und Monika steht der quiekenden Schrowange bei, sie lügt: »Süß, du triffst die Töne!«
So sind wir Frauen: verlogen, aber konfliktscheu. Und bereit, uns aufzuopfern. Da darf eine Feuerwehrfrau nicht fehlen. Sie kann LKWs ziehen und Sandsäcke schleppen (und natürlich noch andere Sachen, die aber nicht in die Öffentlichkeit gehören). Eigentlich ist sie ja Sanitäterin, Feuerwehr ist mehr ihr Hobby. Keine versteht das besser als Frau Schrowange, die beim Dreh für diese Sendung an sich bemerkte: »Nach einem Tag Feuerwehrtraining bin ich an meine Grenzen gekommen, als Frau.« Darauf ein Piccolöchen, die Brause für schwer emanzipierte Mädels!
»Sagt mal, habt ihr das denn schon mal erlebt, dass einem als Frau was nicht zugetraut wurde?« Wieder verschämtes Kichern. Wenn man mit dem Kind ins Büro kommt, weil die Kita zu hat, erzählt eine, da guckt der Chef schon komisch. Krass! Komisch Gucken – dass es diese Art Frauenverachtung noch gibt!
Dass sie viel weniger verdient als ihre männlichen Kollegen, dass sie die Arbeit für die Firma zu Hause macht, wenn die Kids schlafen, weil sie es sonst mit ihrer Halbtagsstelle nicht schaffen würde – darüber reden wir heute mal nicht in dieser kuschlig-gemütlichen Bude. Wir sind ja keine Feministinnen, nur ganz normale unbedeutende, bescheidene und langweilige Frauen, die bei Birgit mal ganz viele Streicheleinheiten bekommen. Das macht ja sonst keiner.
Prösterchen.
FELICE VON SENKBEIL
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