Ein Anruf bei Ingo Gerhartz

Herr Gerhartz, Sie sind der Chef der Luftwaffe und wurden kürzlich einer breiteren Öffentlichkeit bekannt, als ein heimlich mitgeschnittenes Telefonat, das Sie mit drei Ihrer Untergebenen geführt haben, in russischen Staatsmedien veröffentlicht wurde. Erste Frage

Moment. Bevor wir fortfahren: Wird dieses Gespräch von Ihnen aufgezeichnet? Ich wurde angewiesen, etwas vorsichtiger bei der Kommunikation zu sein.

Nein, das würde ich nie machen. Ich schreibe das in ein paar Tagen, wenn ich Zeit habe, einfach so auf, wie es mir im Gedächtnis ist.

Sehr gut. Da kann ja nichts schiefgehen.

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In den deutschsprachigen sogenannten Qualitätsmedien sucht man vergeblich nach einer Abschrift des abgehörten Mitschnitts, selbst Auszüge sind nur mit Mühe zu finden. Was wurde eigentlich genau besprochen?

Die deutschen Leitmedien – und deswegen heißen sie ja auch »Leitmedien« – haben eine Vordenker-Aufgabe, die sie pflicht -schuldig und demütig erfüllen. Wäre ja noch schöner, wenn sich plötzlich jeder ein eigenes Bild machen könnte, anstatt beim Denken geleitet zu werden! Vom Inhalt möchte ich Ihnen deshalb auch nichts erzählen.

Befürchten Sie wegen dieser stümperhaften Unachtsamkeit Konsequenzen für Ihre Karriere?

Nein. Zum einen kommt Verteidigungsminister Pistorius in dem Gespräch recht gut weg. Zum anderen ist der Mitschnitt wie eine Art Sex-Tape eines Prominenten: Alle machen ein großes Gewese darum, aber eigentlich passiert darauf nichts, was man nicht schon tausendmal gesehen hätte. Denn nichts, was wir besprochen haben, geht ja über Baerbocks Statement, »Wir kämpfen einen Krieg gegen Russland«, hinaus.

Stimmt schon. In dem Gespräch wird nichts gesagt, was nicht bekannt, naheliegend oder logisch ist. Aber wieso die Aufregung?

Verstehe ich auch nicht. Vermutlich sind vor allem die deutschen Putin-Lakaien geschockt, dass mit den gelieferten Waffen tatsächlich reale Ziele angegriffen und kaputt gemacht werden sollen. Die hoffen immer noch auf einen totalen Endsieg ihres Helden und wollen nicht wahrhaben, dass auch westliche Waffen »Kabummsti« machen.

Das haben Sie schön ausgedrückt. Apropos: Interessant ist an der Aufnahme, wie professionell beim Bund Themen besprochen werden. Das ist nicht einfach eine halbe Stunde unstrukturiertes Gelaber von wegen »Ich sach mal so, wat meinst’n du?«. Das wimmelt nur so von englischen Fachbegriffen wie »Quick Track«, »doable«, »Trick pullen« und »Hightech-Zeug«. Ist Ihre Mutter stolz auf Sie?

Seien Sie froh, dass wir nicht in Russland sind, für solche defätistischen Frechheiten kämen Sie dort ins Straflager oder an die Front.

Ja, ist ja gut. Das ist hier ein Gespräch für our ears only, wie Sie bei der Bundeswehr sagen würden.

Sie haben unsere Sprache schon verinnerlicht, Kamerad. Wir suchen bei der Bundeswehr immer neue Leute. Kennen Sie sich vielleicht mit Computern und Verschlüsselung aus?

Nein, überhaupt nicht.

Das ist schade, aber natürlich kein Hindernis. Wir können gerne ein Vorstellungsgespräch vereinbaren.

Danke, nein. Ich lege dann jetzt auch mal lieber auf, bevor das hier noch einer abhört und veröffentlicht.

GF

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