Ein Foto – zwei Geschichten
Ein Bild sagt mehr als 1000 Worte. Doch welche 1000 Worte? Die Entscheidung liegt bei Ihnen.
Steffen & Rulf
Wim & Egidius
»Jette, guck mal, wer da ist! Der Rulf. So eine Überraschung! Komm rein, Rulf, hier geht’s ins Wohnzimmer.«
»Ihr habt’s aber gemütlich hier. Ist das eine Fototapete vom Kanzleramt? Stilvoll.«
»Cool, oder? Komm, stell dich mal hierher. Mach mal ein Foto, Jette! Du bleibst doch sicher zum Essen, oder? Keine Widerrede! So, genug geknipst. Bringst du uns mal ein Bier, Schatz? Setz dich doch, Rulf! Nicht da, da hat vorhin die Katze drauf gekotzt. Da ist besser. Der Rulf. Das ist ja ein Ding.«
»Ja, wie lange haben wir uns nicht gesehen? Fünf, sechs Jahre?«
»Neunundzwanzig.«
»Wie die Zeit vergeht.« »Danke, Schatz! Stell doch am besten einfach das Fass auf den Tisch, dann muss ich nicht ständig in die Küche zum Nachfüllen. Ich schmeiß dann auch gleich den Grill an. Nein, das wollte ich sowieso machen, Rulf, das sind doch keine Umstände. Und wann hat man schon mal seinen Patenonkel zu Besuch. Prost, Rulf!«
»Prost, Steffen!«
»Wie geht’s denn Gisela? Gut so weit? Gut, gut. Und arbeitest du immer noch für die Dings? Echt? Geregeltes Leben, keine Experimente, das ist mein Rulf. Die Versicherungen, die ich damals nach der Kalligraphie-Lehre bei dir abgeschlossen hab’, hab’ ich immer noch. Leben, Berufsunfähigkeit, Hausrat, Zahnzusatz, Sterbegeld und … was war das noch?«
»Unsere Brillenversicherung deluxe Super-Premium.«
»Genau.«
»Du, wo wir gerade schon dabei sind, Steffen, wir hätten da dieses unglaublich tolle Angebot, das für euch genau das Richtige wäre: eine Krankenversicherung für Katzen.«
»Ou, das ist gut. Wo soll ich unterschreiben? Mensch, Rulf, das ist so schön, dass wir uns mal wieder sehen.«
»Finde ich auch, Steffen.«
Es handelte sich um die Bekanntgabe eines der umfangreichsten Kulturförderprogramme, die der Gemeinde je zuteil geworden waren. Kulturreferent Egidius Schnips posierte mit Wim Kuftenhaber, dem aufstrebenden Stern der örtlichen Kunstszene, für die Kameras der Presse.
Schnips war im Ort aufgewach -sen, zur Schule gegangen und als Bürokaufmann im Rathaus aufgestiegen, weil keiner so gut Förderanträ -ge ausfüllen konnte wie er. Er kannte fast jeden Einwohner der Gemeinde, und er hasste sie alle. Verlogene, abstoßende Kleinbürger, ungebildet, aber gerissen. Wie gern hätte er in einer pulsierenden Metropole gelebt – die Museen, die Theater, das Koks! Doch mit den 900 000 Euro, die der Bund locker gemacht hatte, konnte er endlich die Kultur der Großstadt aufs Land holen und gleichzeitig all diesen beschränkten Dorfdeppen den Mittelfinger zeigen.
Wim Kuftenhaber war ja nur der Anfang, der erste von zwei Dutzend Künstlern, die in den kommenden Wochen für kulturelles Aufsehen sorgen würden. Sie alle wurden finanziert durch das Förderpro -gramm »Karzerkreative – vom Zuchthaus in die Galerie«, bei dem sich Strafgefangene durch schöpferische Kraft wieder ins Leben zurückkämpfen. Schnips hatte die Chance ergriffen und mit Wim Kuftenhaber, einem gelernten Hundefänger aus Niederbayern, auch sogleich einen besonders originellen Kopf der »Karzerkreativen« gewinnen können.
»Ich möchte nicht zu viel verra -ten«, sagte Schnips auf die Frage eines Reporters, »nur so viel: Wim möchte mit seinen Performances, die vor allem nach Einbruch der Dunkelheit stattfinden werden, starke Emotionen wecken. Und welche Emotion könnte stärker sein als Angst? Aber lassen Sie sich überraschen! Und glauben Sie mir: Sie werden überrascht sein. Es lebe die Kunst!«
Oder was denken Sie? Was führen diese beiden Spitzbuben im Schilde? Erzählen Sie Ihre Version der Geschichte Ihren Freunden, Nachbarn und Verwandten! Die beste Story gewinnt!
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