Wegen Liebe gefeuert!

Weitgehend unter dem Radar der Öffentlichkeit wurden im Sommer sozialversicherungspflichtig Beschäftigten (kurz: den Ausgebeuteten) zusätzliche Pflichtangaben gegenüber ihrem Ausbeuter auferlegt. Zu sagen: »Ich wusste das ja nicht!«, hilft nun nicht mehr. Das musste zuerst ein gewisser Julian R. bitter erfahren, »ein begnadeter Journalist« – so sein Chef Mathias D. über ihn –, der allerdings immer wieder Opfer von Frauen unter 25 wurde, denen er berufsbedingt nicht ausweichen konnte.

Die Regelungen betreffen die sogenannte »romantische Beziehung« zwischen Arbeitskollegen (also nicht die kleine schmutzige Episode in der Teeküche, in der Tiefgarage oder in der Schlange bei der Essensausgabe).

Cartoon: ULI DÖRING

Die romantische Beziehung bleibt vom Gesetzgeber im Grundsatz natürlich unangetastet, ist aber problematisch, wenn sie den Betriebsfrieden stört.

Dem Arbeitgeber obliegt es bei Wahrnehmung seiner Obhutspflicht gegenüber den Beschäftigten (und zwar nicht nur gegenüber dem Pärchen), die romantische Beziehung reibungslos in den Betriebsablauf einzubauen, für hygienisch einwandfreie Bedingungen zu sorgen und Gefahrenstellen vorausschauend zu beseitigen. Tut er das nicht, tritt im Schadensfall keine Versicherung für ihn ein. Bei einer romantischen Beziehung mit Todesfolge landet er womöglich sogar vor Gericht.

Was hat Pechvogel Julian R. nun eigentlich alles falsch gemacht? Er hat die romantische Beziehung nicht angemeldet, schon gar nicht »rechtzeitig« oder »im Vorfeld«, wie der Gesetzgeber formuliert. Gut, dazu hätte er den Namen seiner Geliebten/seines Geliebten preisgeben und ihr/sein Geschlecht rückhaltlos offenlegen müssen. Das ist nicht jedermanns Sache … Die Anmeldung kann digital über Facebook erfolgen, das polizeiliche Führungszeugnis, der Corona-Impfnachweis und ein aussagekräftiges Ganzkörperfoto müssen angehängt werden.

Dann fehlt nur noch die Begründung der dringenden Notwendigkeit. Da sah es bei Julian R. mau aus. »Mache ich schon immer so« oder »ich liege in Scheidung« – das ist wohl doch etwas zu salopp für eine so ernste Sache, von der es schon im romantischen Liedschaffen heißt: »Das mit uns geht ganz tief rein …« Außerdem sollte die Begründung mit jener Begründung harmonieren, die die Partnerin/der Partner abgibt. Wenn da steht: »Optimierung der Karrierechancen bei Bild«, stimmt irgendwas nicht.

Wäre das zu viel verlangt gewesen für Julian R.? Nein, aber er hat gelogen und getrickst und seinen Chef im Dunkeln stochern lassen. Wahrscheinlich fürchtete er den Passus im Gesetz, der den Arbeitgeber verpflichtet, die Anzahl der romantischen Beziehungen pro Beschäftigten in einem vertretbaren Maß zu halten und dafür zu sorgen, dass ältere Kolleginnen nicht übergangen werden.

Wenn aber der Beischlaf zwar ordnungsgemäß angemeldet, genehmigt und terminlich in den betrieblichen Ablauf eingetaktet ist, dann gar nicht vollzogen bzw. willentlich unterbrochen wurde – was dann?

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Für diesen »Versagensfall«, wie das im Juristendeutsch heißt, müssen glaubwürdige und in der Sache unbefangene Zeugen beigebracht werden. Andernfalls darf der Arbeitgeber künftige Anmeldeversuche dieses Kollegen ignorieren. Die »Versagensmeldung« ist auch nicht auf eine andere Partnerin/anderen Partner übertragbar und Julian R. hätte sie auch nicht an einen Kollegen »vererben« oder gegen ein paar Gramm Kokain tauschen können.

Außerdem muss der »Versagensfall« begründet werden: Gab es lediglich eine erektile Dysfunktion im minder schweren Fall? Oder ist die Libido einer oder sogar beider Beteiligten erkaltet, ist also die sogenannte Romantik verpufft? Wurde der Beischlafversuch gestört (z.B. durch das überraschende Ende der Mittagspause)? Je mehr Details der Arbeitgeber erfährt, desto gerechter kann er (oder der beauftragte Justiziar) entscheiden, wie es nun weitergeht.

Trotz alledem: Eine Liebesbeziehung bleibt auch künftig immer etwas sehr Intimes, von einem tiefen und schönen Geheimnis Umwehtes. Das soll sich vorderhand auch nicht ändern – es geht lediglich um die Rechtssicherheit des Pärchens auf der einen Seite der Bettkante und des Arbeitgebers auf der anderen. Deshalb empfiehlt es sich bei Einhaltung der Vertraulichkeit, rechtzeig den Betriebsrat und die Frauenbeauftragte einzube- und Außengutachter heranzuziehen.

Wenn der Arbeitgeber ein fühlendes Herz hat (und das haben unsere Ausbeuter heutzutage!), wird er die Ehepartner des verliebten Pärchens zuzüglich an die Kaffeetafel holen. So hat es Adolf Hitler gemacht, als Joseph Goebbels seine Magda (ein Dutzend Kinder!) wegen eines Flittchens verlassen wollte, und so handelte auch Walter Ulbricht, als ein gewisser Erich sich Knall auf Fall in eine gewisse Margot verliebte und Erichs Frau mit einem theatralischen Abgang drohte.

Aber wir wollen Julian R. nicht mit Goebbels vergleichen! Er hätte eben nur – was ihm sicherlich nicht leicht fällt – nicht lügen dürfen. Da blieb seinem Chef bei aller Wertschätzung für die berufliche Leistung R.s (»der einzige Journalist, der noch widerspricht«) nichts weiter übrig, als ihn zu feuern.

Das Gerücht erzählt, die Linkspartei hätte ihm ein Angebot gemacht (eine Lebensstellung im Zeitungsarchiv), aber das will er nicht. Seit Oskar Lafontaine dort zugange war, findet sich daselbst keine Frau mehr, die ihn interessieren könnte.

MATTI FRIEDRICH