meisterwerke
Kunst von EULENSPIEGEL-Lesern, gediegen interpretiert
Tonya Harding, die ihre Eislaufkonkurrentin von einem Attentäter mit einer Eisenstange attackieren ließ; Oscar Pistorius, der Sprinter ohne Beine, der seine Freundin beim Pinkeln erschoss; Philipp Lahm, der in seiner Freizeit gerne Snooker spielt – exzentrische Sportler gab es zu allen Zeiten. Auf Gemälden von Dürer oder Rubens sind sie eher selten zu finden. Um so erfrischender, dass mit dieser überkommenen Tradition im hier vorliegenden Werk gebrochen wird.
Es zeigt einen unbekannten Leichtathleten, der seine Läufe ausschließlich im Anzug absolviert. Auf die Jackett-Ärmel hat er sich die britische Flagge genäht, möglicherweise, weil er von dort ist. Er hat sich in Startposition begeben, atmet hochkonzentriert durch den Mund und blickt so erwartungsvoll wie debil in die Richtung, aus der er vermutlich den Startschuss erwartet.
Doch das Bild zeigt auch mal wieder das Versagen der internationalen Anti-Doping-Agentur. Unbehelligt von Kontrolleuren hat sich der Sportler offensichtlich eine große Spritze »Reason« gesetzt. Eine weitere, noch größere Spritze steckt in seinem Gluteus maximus (möglicherweise handelt es sich auch um einen Einlauf), der Inhalt, eine größere Menge »No Brexit«, wurde aber noch nicht verabreicht. Wer derjenige sein wird, der die Injektion so kurz vor dem Start durchführen soll, überlässt der Künstler der Fantasie des Betrachters.
Die positive Wirkung des Dopings, die Disziplin (100 Meter Hürden? Dreisprung?) und der Wettbewerb bleiben im Dunkeln und spielen für die Kernaussage des Werkes auch nur eine Nebenrolle. Denn im Zentrum steht die Nebenwirkung der künstlichen Leistungssteigerung: Dem Sportler ist der Kopf zu einer Monstrosität angeschwollen. Beim Start wird er mit dem Gesicht auf den Boden aufschlagen, und er wird seinen Kopf über den Boden schiebend ins Ziel befördern müssen. Wenn er dennoch vor den anderen ankommt und die Goldmedaille in Empfang nehmen darf, wäre das ein Skandal, über den viele aber leider hinwegzusehen bereit sind, solange sie Höchstleistung zu sehen bekommen.
Kunst wie diese kann dazu beitragen, dass dem systematischen Doping endlich ein Einlauf verpasst wird.
H. Seppelt
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