Der Unabkömmliche

FERNSEHEN

Das neue Jahr beginnt mit einem Paukenschlag. Dr. Martin Gruber, der Bergdoktor, geht doch nicht nach New York.

Es war so dramatisch am Ende der 16. Staffel der Lieblingsserie aller Deutschen und aller Ausländer, die Deutschland noch lieben. Da wollte der heißeste aller Landärzte hinschmeißen. Tausende Fans (vermutlich weibliche) schrieben Bittmails an den Sender (ZDF). Auch die Ärztekammer wurde angefleht, diese hochqualifizierte Fachkraft nicht ziehen zu lassen. Der Schauspieler Hans Sigl wurde bedrängt und bestochen, seiner Berggemeinde treu zublieben. Wahrscheinlich bot man ihm einen Ehrendoktortitel an.

PETER THULKE

Dabei hätte er es fast geschafft, einmal über die Bergwipfel in eine andere Welt zu gelangen, aber dann … die TV-Mama hatte es umgenietet. Und als guter Sohn und Mediziner blieb ihm keine Wahl, als das Praxisschild wieder anzuschrauben.

Dr. Martin Gruber bleibt uns erhalten. Der Familienmensch und Naturliebhaber wird eine weitere Staffel lang seinen Morgenkaffee auf der Motorhaube seines nickelgrünen Mercedes W 123 Baujahr 1979 vor dem Gipfelpanorama der Alpen genießen und ganz viel Gutes tun. Er verpasste womöglich die einzige Chance seines Lebens! Um ein Haar hätte er es geschafft, nach 16 Jahren den Doktorspielen ein Ende zu machen.

Der Schauspieler versuchte schon länger, durch andere Projekte aufzufallen. Er spielte heimlich Kabarett, trat in Spielshows auf und moderierte die große ARD-Silvestersause. Doch es war ihm nicht vergönnt, den Bergdoktor abzuschütteln. Er ist für diese Rolle wie gemacht. Diese zerfurchte, sorgenvolle Stirn, dieser Hauch von Melancholie in den kleinen, leuchtenden Augen und diese minimalistischen Bewegungen des 1,90-Meter-Mannes, einfach überzeugend.

Hans Sigls Versuche als Charakterdarsteller scheiterten immer wieder an den vielen Einsätzen am Set. Mit jedem Zipperlein kamen die Kollegen zu ihm, er ist ja Arzt. Auch seine Frau nennt ihn Herr Doktor, beim Bäcker werden Sahnetörtchen gegen Praxistermine versprochen, die Freunde seines Sohnes lassen sich von ihm Platzwunden nähen.

Nun hat er akzeptiert, dass er durch und durch Mediziner ist und erstrahlt in Staffel 17 in seiner ganzen Pracht.

Einen Doktor Martin Gruber wünscht sich jede abgehängte Gemeinde im ganzen Land. In Outdoorjacke und Sneakers macht er ständig Hausbesuche, geht auch nachts ans Telefon und bringt Krebsdiagnosen mit Charme und Lässigkeit rüber. »Ist es schlimm?«

»Das ist immer eine Frage der Perspektive.« Statt Tränen des Mitleids zu vergießen, handelt er stets konstruktiv. »Da schneiden wir etwas von ihrem Magen und ihrer Speiseröhre weg, dann wird das wieder. Ja!?« »Na klar, Herr Doktor, danke.«

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Für die neue Staffel versprechen die Macher etwas mehr Leichtigkeit. Damit ist wahrscheinlich ein kesser Humor gemeint. »Wenn wir nicht schnell herausfinden, was er hat, dann gute Nacht um acht.«

Die medizinischen Fälle sind alles andere als leichte Kost. Trommelschlegelfinger, ein Indiz für ein organisches Problem, erkennt der Dorfdoktor sofort. Von schmerzenden Knöcheln kommt er auf eine Hormonstörung und die wiederum ist die Fährte zu einem Tumor. Auch als Psychologe und Gynäkologe ist er nicht zu bremsen. Wären alle Hausärzte so versiert wie der Gruber, könnten Fachärzte abgeschafft werden.

Überhaupt sollten sich echte Mediziner an diesem Mann ein Beispiel nehmen. Er macht die Büroarbeit nebenbei und meckert nie über Krankenkassen und Überstunden. Dazu lebt er in einem alten Holzhaus, fährt ein altes Auto und hat ständig Berge im Weg. Danke, Herr Doktor! Mit Ihnen geht es Deutschland gleich ein kleines bisschen besser.

FELICE VON SENKBEIL

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