Wer kann helfen?

Es ist ein Mirakulum: Kevin Kühnert ist die beliebteste Figur im deutschen Fernsehen. Zwar nicht bei den ganz Kleinen – da sind es Elefant und Maus, und in den Pflegeheimen lacht man über Dieter Hallervorden. Aber bei der aktiven, der wertschöpfenden Generation, bei der verarmten Mittelschicht, die sich täglich fleißig auf den Arbeitsweg vom Bett zum Bildschirm macht, hat der Kühnert einen dicken Stein im Brett. Bei einer Kundenbefragung der Fressnapf-Kette (»Welches Haustier hätten Sie denn gern?«) sagten viele Leute spontan »Kevin Kühnert«, obwohl man den gar nicht ankreuzen konnte.

Auch sie wird nicht Kühnerts neue Vermieterin: Die Chefin von sechs Berliner Wohnungsbaugesellschaften hat leider überwiegend möblierte Zimmer im Angebot.

Und so einen Mann findet keinen Vermieter? Neulich beklagte sich Kühnert in einer Talkshow, dass er seit einem Jahr in Berlin keine Wohnung fände, so um die zwanzig Euro pro Quadratmeter. Treppauf, treappab sei er schon gelaufen. Aus seiner WG in Steglitz ist er ausgezogen, als satzungswidrig ein Mädchen dort aufgeschlagen ist, was den ganzen morgendlichen Hygieneablauf durcheinander brachte.

Dabei hat Kühnert im täglichen Umgang viele Vorzüge. Er nimmt nicht viel Platz weg und ist in der Lage, jeden schlechten Witz, den man auf seine oder des Bundesolafs Kosten macht, mit schneidender Rhetorik zu parieren, was auf Partys toll ankommt. Er sagt dann Sätze von langer Nachhallzeit im Siedlungsgebiet der Deutschen (wie z.B. neulich bei »Anne Will«): »Ich fühle mich nicht in der Lage, Exegese zu betreiben.« Und schon suchen viele Menschen am nächsten Tag verzweifelt nach Echsenkäse, und es taucht das Gerücht auf, Echsenkäse sei, wie Sonnenblumenöl und Senf, nun auch ausverkauft! Die Presse orgelt am nächsten Morgen hingerissen: »Exegese! Wo hat dieser Pfiffikus und notorische Studienabbrecher so ein schweres Wort nur wieder her!?« … und was bedeutet es? Keiner weiß es, nur in einem kann man bei Kühnert sicher sein – was Schlüpfriges ist es nicht.

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Seine Popularität verdankt Kühnert übrigens auch seiner langmonatigen Tätigkeit im Callcenter der Firma »my Toys«. Da hat er vor acht Jahren mit damals Sechs- bis Zehnjährigen so viele ausführliche Exegese und anderen Geikel betrieben (alles im Rechtsrahmen des Kinder- und Jugendschutzes!), dass ihm aus dieser Bevölkerungsschicht (und deren Großeltern) eine hingebungsvolle Gemeinde zugewachsen ist, die für ihn praktisch alles machen würde, sogar Dinger hart an der Grenze der Exegese – sogar SPD wählen.


Denn inzwischen ist Kevin Kühnert als Dreisterne-Generalsekretär der SPD, also der stärksten revolutionären Partei der Welt, Führer der fünften kommunistischen Internationale und in dieser Eigenschaft, ob er das vorhatte oder nicht, direkter Nachfolger von Generalissimus Josef W. Stalin.


Wird er diese Macht exegetisch missbrauchen? Er verfügt eigentlich nur über neun NVA-Panzerhaubitzen und die muss er sich mit dem Bundeskanzler teilen. Ist es das – will einen so übermächtigen Mann keiner bei sich wohnen lassen?

Nein, er liegt nicht unterm S-Bahnbogen. Vorläufig nutzt er eins der Badezimmer (mit Bidet!) in den weitläufigen Berliner Gefilden von Gerhard Schröder, der von dort aus derzeit noch einen grenzüberschreitenden Brennstoffhandel betreibt. Aber auch um die Nutzung dieser Bleibe hat es bereits Krach gegeben, bei genauerer Exegese sogar Krieg.

Also, wer den Kühnert haben will – er bringt nur ein paar Lehrbriefe aus dem ersten Semester an der Fernuniversität Hagen mit und schleppt garantiert keine Nutten ein. Nur einige Rührund Messgeräte für diese und jene leidenschaftliche Exegese.

MATTI FRIEDRICH

Auslese

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