Zu heiß im Schritt?

FERNSEHEN

Vor acht ist in der ARD einiges los. Zwischen liebgemeinten Verbraucherhinweisen zu Verstopfungen von Spüle oder Enddarm, zu Seniorenwindeln und zu Hörgeräten (niemals in die Spülmaschine!), gibt es Wissenschafts-, Wetter- und Börsennews. Eine bunte Mischung, die jeden Deutschen brennend interessieren sollte. »Der kleine Anleger» – das ist der ideelle Zuschauer bei »Börse vor acht«, der speziell für die ARD erfunden wurde – sitzt den ganzen Tag in seinem gemütlichen Eigenheim, mit Verstopfung, Hörgerät und schon in Windeln und hofft auf saftige Kursgewinne, während die Frau des »kleinen Anlegers« sich bange fragt, ob ihr hoher Blutdruck wohl ein Tiefdruckgebiet einläutet oder es doch ein Eierlikör zu viel war. Vor acht bekommen sie Antworten und können beruhigt zum Sterben in die Betten.

»Wissen vor acht« hingegen ist eher was für Spinner und Männer, die einen Hobbykeller haben – aber ganz niedlich präsentiert. Mit diesem Format ist das Zuschauerinteresse an Innovation, Technik und Umwelt eigentlich gedeckt. Alles, was der Deutsche zu künstlicher Intelligenz und ebenso künstlicher Befruchtung weiß, weiß er jedenfalls aus »Wissen vor acht«.

Zeichnung: Johann Mayr


Nun will eine Gruppe von Unruhestiftern diesen heiligen Sendeplatz kapern, um nur noch schlechte Nachrichten zu verbreiten. »Klima vor acht« soll täglich über den nahenden Weltuntergang informieren. Ganz sachlich natürlich, denn Grund zur Panik besteht erst, wenn das Fernsehen überhaupt nicht mehr sendet …

Die Klimaaktivisten machten mit einem offenen Brief an den ARD-Vorsitzenden Tom Buhrow Druck. Offene Briefe sind so schlimm wie offene Beine, man kann sie nicht ignorieren. Meistens münden sie in offene Ohren, die der Intendant natürlich sofort für diese Initiative hatte.


Die Störenfriede fordern einen Sendeplatz fürs Klima. Angeblich sei es notwendig, die Bürger regelmäßig über die Klimaentwicklung zu informieren. Denn wenn sie z.B. bei Dauerregen die Wäsche von der Leine nehmen müssen, ist es viel erhebender zu wissen, dass man am Klimawandel beteiligt ist, als wenn man sich nur übers Wetter ärgern darf.

Man müsse den Menschen ein Update geben, lautet das Argument: Wieviel Gletscherwasser floss heute unerkannt in der Spree? Welche Inseln fallen für die Urlaubsplanung ins Wasser? Lässt das Auftauen des Permafrostbodens den Erwerb von Grund und Boden in der Tundra jetzt als sinnvoll erscheinen? Wenn rund um die Müritz die Wälder brennen dürfen, warum darf ich dann nicht auch Gartenabfälle abfackeln? Mit solchen Fragen rückt die Katastrophe nah an jeden Gebührenzahler heran und ihm/ihr wird klar, wie ernst die Lage ist.

Dabei haben ADR Zuschauer schon genug Sorgen: der Darm, die Arthrose, die Kursverluste, die Zwangsabgabe fürs Konto bei der Sparkasse. Nun also noch das Klima!

Die ARD zeigte sich zögerlich. Vorschläge seien immer willkommen, vor allem die, für die man sich bedanken kann. Aber leider … Christoph Schmidt, geschäftsführender Redakteur bei der ARD, meinte, in »Börse vor acht«, »Wissen vor acht« und »Wetter vor acht« sei »der Klimaschutz elementarer Bestandteil«. Das stimmt. Fette Rendite in der Automobilbrache – blöd fürs Klima. Und wunderbares Sommerwetter im März bedeutet Land unter bei den Eisbären. Schmidt ahnte das richtige, konnte es nur nicht formulieren: In den vorhandenen Formaten kurz vor der »Tagesschau« steckt schon genügend Miesepeterei.

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Und da könnte ja jeder kommen! Die Kleingärtner wollen »Baumblüte vor acht«, die Muttis »Kindermund vor acht«, die Christen »Sünde vor acht« die Muslime »Sure vor acht«, die Verschwörungsdenker »Seele anrufen vor acht«. Wo kämen wir denn da hin? Und wenn wir mal ehrlich sind, das Klima ist doch – von Ausreißern abgesehen – jetzt recht angenehm. Kälter dürfte es nicht sein, es sei denn, diese verdammte Energiesteuer würde abgeschafft. Und wie es in dreißig Jahren sein wird … Damit muss man den durchschnittlichen ARD-Zuschauer (einschließlich des »kleinen Anlegers«) nun wirklich nicht beunruhigen. Also entschieden die Klimafreunde weiterzuziehen, zu einem Repräsentanten der Jugend, einem Mediengestalter mit Verantwortungsbewusstsein und Reichweite: RTL. Dort ist man ganz heiß aufs Klima. Schon strömen die Ideen: »Heiß im Schritt – ist der Klimawandel schuld?«, »Dank Klimawandel: Lippen wie die Afrikaner«, »Tote Hose! Männer wollen nur noch unter zwei Grad Erderwärmung«.

Aber für ein seriöses Programm gibt es auch Anlass zu Nachdenklichkeit im Sinne der Nachhaltigkeit. Nicht nur »Klima! Sexy, geil und mega krass!«, sondern: »Klima! Es kann auch anders!« Dann wird in ergreifenden Shows von verbrannten Koalapfötchen, ertrinkenden Indern, die versuchen, sich mit ihren Flip-Flops über Wasser zu halten, und vermüllten Traumstränden berichtet. Das wäre doch die richtige Mischung für einen jungen Moderator, der Entertainment und Wissenschaft in sich vereint, der nicht nur dumm ist, sondern auch frech: Oliver Pocher. Die Initiative müsste sich allerdings von der Hoffnung verabschieden, die Zuschauer agitieren zu können bzw. zum »Umdenken« zu bewegen. Der typische RTL-Zuschauer ist nicht so der dolle Denker. Auch nicht Umdenker. Aber stolz und selbstbewusst: Auf Fastfood, Billigfleisch und Kik-Klamotten zu verzichten, das wird er sich auch von seinem Lieblingssender nicht einreden lassen.

FELICE VON SENKBEIL