Digital Detox
Goldene Worte von Gerhard Henschel
»Digital
Detox« (digitale Entgiftung) heißt das neue Zauberwort, das
mittlerweile allerdings schon mindestens vier Jahre alt ist. In Peter
Buchenaus und Dominik Fürtbauers Buch »Chefsache Social Media Marketing«
hat 2015 ein Proband unter der Überschrift »Digital Detox – Eine Woche
ohne Smartphone« von seinen furchterregenden Erfahrungen mit dem kalten
Entzug berichtet: »Bereits in der ersten Stunde meines Digital Detox
musste ich feststellen, dass ich keinen Wecker besitze, da das ansonsten
mein Smart phone übernimmt. So lief ich sonntagabends eine Runde
schreiend im Kreis, bis mir einfiel, dass mein Radio über eine
Weckfunktion verfügt und mein pünktliches Erscheinen zur Vorlesung am
Montagmorgen doch nicht gefährdet ist. Save!« Inzwischen werden sogar
»Digital Detox Camps« veranstaltet, in denen Onlinejunkies sich im
Offlinedasein üben können. Eine Baden-Badener »Agentur für nachhaltige
Kommunikation« namens The Digital Detox bietet beispielsweise ein
mehrtägiges »Power-Camp« mit Outdoor-Aktivitäten, sportlichen Workouts,
Yoga-Einheiten und »Powerfoods« an. Auf dem Programm stehen auch eine
»Meridianmassage«, eine »Körperreise IAT mit Klangentspannung«, »Quick
RelaxÜbungen «, Barfußlaufen und das Einatmen ätherischer Öle sowie ein
»Nach-Coaching per Telef on/ Mail« durch einen »Digital Detox Coach«.
Ich aber sage euch: Wer bereits dermaßen süchtig nach seinem Smartphone
ist, dass er 499 Euro für ein fahrstuhlmusikgestütztes Entwöhnungssemi –
nar bezahlt, dem ist auch mit einem Digital Detox nicht mehr zu helfen.
Hoffnung gibt es nur für jene Menschen, die gern mit ihrem Smartphone
herumdaddeln und trotzdem nicht im Traum auf die Idee kämen, von einem
Digital Detox zu sprechen, wenn sie es für einen Moment oder gar für ein
ganzes Wochenende zur Seite legen. Allen anderen dient in den Digital
Detox Camps das Dauerquasseln über ihr »Smartphoneverhalten« als
Methadon, mit dem sich die Zeit bis zur Rückkehr in den digitalen Alltag
überbrücken lässt. Sie ähneln Mönchen, die im Kloster der Wollust
abschwören, um dort wenigstens noch an sie denken zu können.
Ja, liebe Kinder – man kann auch ohne professionelle Unterstützung,
Körperreisen, Meridianmassagen, Workouts und Nach-Coaching einen
Mittelweg zwischen seinem Telefon und einer kostspieligen Yoga-Einheit
beschreiten. Und dennoch erteile ich hier, weil ich ihn so niedlich
finde, noch einmal dem eingangs zitierten Probanden das Wort. »An alle,
die über einen Digital Detox nachdenken: Go for it!«