Prokudent

Aus Gründen, die ich hier nicht darzulegen brauche, ist kürzlich eine Tube Zahnpasta in meinen Besitz gelangt, die einen ausgesprochen unerfreulichen Namen trägt: »Prokudent«. Drei an und für sich unschuldige, nun aber wie Frankensteins Monster zusammengeflickte Silben finden sich hier in einem Prokrustesbett wieder, das ihnen irgendwelche verdeckt operierenden Markennamendesigner bereitet haben. Wie man auf Facebook nachlesen kann, hieß die bewusste Zahnpasta noch bis März 2018 Perlodent und wurde erst dann in Prokudent umgetauft. Ein Sascha stellt dort die Frage: »Warum sind bei Rossmann so viele Namenswechsel bei Produkten?« Worauf die Drogisten von Rossmann erwidern: »Hallo Sascha, wir wollen euch immer mal wieder überraschen. Wir haben schon sehr viel positives Feedback zu unserem Relaunch erhalten. Wir hoffen, dass wir dich in Zukunft mit unseren Prokudent Produkten überzeugen können.« Natürlich ohne Bindestrich. Doch von einem positiven Feedback findet sich auf Facebook keine Spur. Stattdessen wird gemault: »Klingt wie Prokurist«, »Ich muss auch eher an einen Proktologen denken und nicht an ein perlweißes Lächeln«, »Hmmh, für mich hört sich das zu sehr nach Kukident an«, »Klingt doch jetzt irgendwie grausig. Von Perlen zu Prokelkram!«

Gewiss, auch Perlodent, Pepsodent, Dontodent, Blendax, Zendium, Lacalut, Aronal, Meridol und Dentabella sind Zahnpastanamen, die ihre Herkunft aus dem Reagenzglas nicht verleugnen können, aber Prokudent steht unangefochten auf Platz 1 der Abschussliste. Da sind Volkes Stimme und ich uns ausnahmsweise einmal einig, und vielleicht schließt sich auch die Fernsehkritikerin Barbara Sichtermann unserem Urteil an. 1997 bekannte sie in der Zeit ihren Überdruss an den beknackten Namen der neueren Kriminalfilmhelden: »Ich wünsche mir einen Mega-Schurken, der Müller heißt. Oder Smith. Aber bitte nicht noch mehr von diesen in keinem Telefonbuch vorfindlichen, Virilität und Dämonie beschwörenden Kunstnamen wie Tresko – so hieß kürzlich Mario Adorf in einem Thriller-Mehrteiler – oder – jetzt Stacy Keach – Bosco! Kein Schurke und auch kein Ermittler würde so einen Namen freiwillig tragen, weil der viel zu auffällig ist! Bosco! So einen Titel denkt sich der kleine Moritz für seinen Chef-Gangster aus, und so heißt der denn auch nur im Film.«

Möglicherweise stammen Tresko und Bosco aus ein und demselben Geheimlabor wie Prokudent. Sie tragen jedenfalls den gleichen sprachgenetischen Fingerabdruck. Herr Staatsanwalt, übernehmen Sie!

Gerhard Henschel