Die Reise zum Mittelpunkt des Kinderzimmers

Von Gregor Olm

Leon-Noel! Mittagessen!« Als ich die Tür zum Reich meines Zehnjährigen öffne, schlägt mir ein Dunst entgegen wie aus der schweißnassen Unterhose eines flatulenzgeplagten Piraten, die nach langjähriger Kaperfahrt im billigsten Bordell Port Royals über einem Kessel köchelnder Pansensuppe zum Trocknen hängt. Wie zur Verteidigung gegen einen heranrückenden Feind fällt mir ein kotiger Fußball auf den Kopf, der auf der verbeulten Ritterburg platziert war, die auf dem demolierten Puppentheater thront. Auf einer Burgzinne scheinen zwei Motten mit einem Kakerlak zu ringen, doch es könnte sich im diffusen Licht des Raumes, in dem ein Chaos vorherrscht wie vor der Erschaffung der Welt, auch um ein Trugbild handeln.

Thomas Leibe

»Räum endlich dieses versiffte Rattennest auf! Schämst du dich denn kein bisschen?«

»Also mir gefällt es so«, dringt dumpf die Stimme meines Sohnes aus einem Spalt zwischen seinem Gerümpel hervor. »Es ist gemütlich zwischen all meinen Schätzen. Stell mein Essen einfach oben auf die Burg, Papa.«

Bei den »Schätzen« handelt es sich indes nicht um die piratentypischen Golddublonen und Smaragde, sondern um eine Containerschiadung Spielzeug – LN hat zwei Omas sowie ein halbes Dutzend Onkel und Tanten, allesamt allzeit in Geberlaune –, wozu noch ein riesiges Sammelsurium von zwanzigtausend weitgehend unnützen Dingen kommt sowie die standhafte Weigerung, irgendetwas davon für den Müll herauszugeben.

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