Letzte Freuden
Von Gregor Olm
Welch trostloser Morgen! Nun ist es also so weit, nichts ist mehr, wie es einst war. Dabei war sie es doch, die mich all die Jahrzehnte im Morgensonnenglanz verlässlich mit stolz erhobenem Haupt begrüßte. Damals erschlug ich mit ihr gar einmal direkt nach dem Erwachen eine zudringliche Sandratte im glühend heißen Schützengraben bei El-Alamein. Und jetzt? Keine vibrierende Verhärtung unter der Bettdecke, nur die schlaffe Pyjamahose – wie ein in speckigen Falten daliegendes Zirkuszelt, das die Arbeiter nicht mehr zu errichten vermögen. Vermutlich sind sie auch so arthritisch wie ich, die Vorstellung fällt jedenfalls heute aus.
Dabei sollte ich dankbar sein, ereilt dies Schicksal doch so manchen jungen Hüpfer bereits in seinen Fünfzigern. Mit einer gut gefüllten Harnblase, Garant für ein stählernes Erwachen, schob ich dem stets einen Riegel vor, doch nun unterdrücken meine senilen Sinneszellen das Durstempfinden. Ein alter Mensch trocknet nämlich einfach aus, er wird zusehends zu Granulat und kann schließlich bequem in der Urne entsorgt werden, so ist es Gottes Wille.
Apropos Granulat: Immerhin verlangt es mich nun nach einem Instantkaffee. Meine Kniegelenke knarren wie ein marodes Piratenschiff, als ich mich in Richtung Küche in Gang setze. Dort fülle ich (und tue so, als würde ich es gar nicht bemerken) sechs Ess- statt Teelöffel in die Tasse, in der Hoffnung, dass meine unermüdliche Pumpe endlich versagt.
Gerade will ich mir einen Schluck genehmigen, da klingelt es. Etwa dieser rhodesische Gastarbeiter vom Pflegedienst? Hat einen Schlüssel. Meine Tochter? Schafft längst die Treppen nicht mehr. Meine Enkel und Urenkel? Besuchen mich nie. Aber da war doch etwas – dieser Brief, dieses Fax und dieser Anruf jüngst …
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