Meisterwerke
Kunst von EULENSPIEGEL-Lesern, gediegen interpretiert
»Es ist schwer, zu Hause genau so Zähne zu putzen, wie es meine
Zahnärztin empfiehlt«, behauptet eine Trulla im Reklamefernsehen und
grient dabei mit schneeweißen Zähnen, die ihre Aussage konterkarieren,
in die Kamera. Doch bevor man denkt: »Meine Güte, ist die doof, die
Alte! Wahrscheinlich kann sie zu Hause nicht mal scheißen, wie es ihr
Proktologe empfiehlt!«, sollte sich jeder an den eigenen Zahnstein
fassen und sich fragen: Weiß ich überhaupt, welche Putzmethode mein
eigener Zahnarzt bevorzugt? Und kann ich ihr gerecht werden?
Zu
diesem Thema nimmt das vorliegende Werk Stellung und damit sogleich eine
herausragende Position in der Kunstgeschichte ein. Denn abgesehen von
Gerrit van Honthorsts »Der Zahnarzt« (Gemäldegalerie Alte Meister,
Dresden) wurde das Sujet der Mundhygiene in der Welt der Kunst bisher
eher stiefmütterlich behandelt.
Im Zentrum des Bildes, das einem
Monitor nachempfunden ist, sehen wir ein gelbes Nilpferd mit
ungewöhnlich langem Schwanz und drei Krallen an jedem Huf. Die grauen
Haare zeigen, dass es sich um ein älteres Exemplar handelt, die
Beißerchen scheinen aus Sicht des Laien dennoch gut in Schuss zu sein.
Die Zahnstellung hingegen lässt auf mangelhafte kieferorthopädische
Eingriffe in der Jugend schließen. Zwei weiße Hände öffnen gewaltsam das
Maul des Tiers, während das Logo der Arztpraxis und Buchstaben wild
über das Nilpferd hinwegfegen und darauf hindeuten, dass bei der
örtlichen Betäubung Anästhetika möglicherweise falsch dosiert wurden.
Der rote Teppich wiederum symbolisiert die geschmacklose Einrichtung in
Zahnarztpraxen. – Ein furioses, wildes Gemälde!
Und doch bietet
es Platz zur Identifikation: Im Leid des Nilpferds erkennt sich der
Betrachter aufgrund seiner eigenen Angst vor dem Zahnarzt wieder. Er
fühlt mit ihm den Schmerz, den Bohrer, Matrizenspanner, Zange,
Wurzelheber, gezackter Schmelzhobel und rotierendes Zahnfleisch-Skalpell
verursachen können. – Die Botschaft des Werkes ist klar: Dies
wiederfährt jedem, der zu Hause seine Zähne nicht so putzt, wie es die
Zahnärztin empfiehlt!
CHRISTIAN SZELL
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