So ein Wald ist kein Disneyland!

FERNSEHEN

Man kann unseren Fernsehmachern wirklich nicht vorwerfen, sie würden die Zeichen der Zeit nicht erkennen. Zwar dauern die Erkennungsprozesse, was wohl gerade die Nation bewegt, immer etwas länger … aber wenn es angekommen ist, dann richtig.

So ist es mit der Klimakrise. Vorher waren es die Migranten, davor die Diversen, davor die Ossis und immerzu sitzengelassene Hausfrauen und Patchworkfamilien. Themen, die alle paar Monate in einem Spielfilm-Highlight abgebildet werden müssen.

Nur leider ist die Klimakrise nicht so einfach zu erklären und schon gar nicht leicht zu besetzen. Besonders kniig ist es, Umwelt-Aktivismus mit einer Lovestory zu verquicken. Ein Happy-End, wenn es doch fünf vor zwölf ist?

STEFAN REIBEL

Ein Freitagabend-Film im Ersten soll ans Herz gehen und nicht nur das Gewissen beschweren.

Mit der Tragikomödie »Großstadtförsterin – Berliner Besonderheiten« wurde mal wieder versucht, alles zu vereinen und nebenbei lustig und jugenda n zu sein.

Es ist die Geschichte von Jana, einer Försterin aus Leidenschaft. Bei der Besetzung war man mal mutig im Ersten, denn die Schauspielerin Stefanie Reinsperger könnte optisch wirklich eine Försterin sein. Sie ist stark (körperlich) und uneitel (nicht so besonders hübsch) und würde selbst in Blümchenkleid und High Heels den typischen Romantikkitsch versauen.

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Als love interest bieten diese Filme normalerweise einen Mann an, der bei den Zuseherinnen für Sehnsuchtsträume sorgen könnte. Kantig, einfühlsam, witzig und natürlich ein sicherer Hafen. Die arme Försterin muss allerdings mit dem maulfaulen Berliner Proleten Robin (Eugen Knecht) vorliebnehmen. Der hat schiefe Zähne und späten Haaransatz. Vor allem ist er sehr unfreundlich. Auch Jana ist keine Frohnatur, obwohl … mit der Natur hat sie es wohl. Jedenfalls lässt sie sich noch während des Vorspanns ins Grunewalder Gras fallen. Natürlich ist ein Stadtwald kein echter Wald, findet sie und muss nach und nach lernen, dass sie mehr Natur nicht kriegt. »So ein Wald ist kein Disneyland!«

Jana ist nämlich verwöhnt, von einem Klimaschutzprojekt in den französischen Vogesen. Dort hat sie auch ihre Liebe verloren, was alle zehn Minuten besprochen wird. Die Försterin hat also ihr persönliches Trauma zu verarbeiten und nebenbei muss sie ein paar Bäume retten.

Dieser Film umschifft alle großen Probleme geschickt. Die Unvereinbarkeit von Klimaschutz und Wirtschaftswachstum zum Beispiel. Dass Berlin Spekulanten und korrupten Politikern überlassen wurde, dass Menschen im Wald leben müssen, weil es keine Wohnungen gibt …

Aber das wäre ja schon ein ganzes Serienformat.

Jana, die Försterin hat Glück; mit der Tante vom Bausenat kann sie gut. Sie ist eine Studienfreundin aus Eberswalde. Irgendwo hat die auch ein Herz und will Bäume retten. Echte, schmuddelige Baumretter, die sich anketten und Baumhäuser zimmern, will natürlich keiner sehen.

Überhaupt werden Umweltaktivisten in diesen Filmen entweder als irre Alte (Spontis, Alt-Linke, verkiffte Idealisten) aus längst vergangen Zeiten präsentiert, die auf kindliche Weise Dachgärten bepflanzen oder Streichelzootiere befreien. Oder als junge Spinner, die mal richtig eine hinter die Löffel verdient haben.

Janas Protest ist ein sanfter, mit viel Bäumestreicheln und mal wütend Stampfen. Damit die Zuschauerinnen nicht überfordert werden, erklärt Janas Charakter der Dialog: »Was ich anfange, bringe ich auch zu Ende, schon vergessen?« … »Es macht keinen Sinn, sich gegen dich zu stellen.« … »Du schaffst das. Wer, wenn nicht du?«

Damit ist klar, diese Jana wird die Welt verändern, zumindest im Kleinen. Dann hat sie einen Einfall, der die Backstory in den Vogesen mit dem Berliner Grunewald verbindet, genial. Sie lässt Zedern pflanzen. Die Stadtjugend hilft beim Setzlinge-Setzen und darf dafür im Wald Mucke hören. »Wir haben Bock, auch mal draußen zu sein, so wie ihr früher!«

Zwischendurch tanzt Jana allein wie vom Waldgeist besessen durch die Försterstube und statt echtem Sex gibt’s Sehnsuchtserinnerungen an den Franzosen.

Das Team der Försterin ist eine Gruppe von Gestrauchelten, denen der Wald zur Heimat wurde. Ein bisschen Sozialprojekt ist also doch noch dabei.

Am Ende gibt die ARD eine subversive Message mit. Die Bausenats-Mitarbeiterin/beste Freundin von Jana, stellt fest: »Wir sollten generell viel mehr hinterfragen. Ich bin so ein Bürokratenarsch geworden.«

Das ist wohl beides wahr.

FELICE VON SENKBEIL

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