Alt, gebrechlich, telegen
FERNSEHEN
»Wer viel lacht, der wird nicht alt.«
»Ich habe mein Leben lang meinen Morgenurin getrunken und bin hundert.«
»Das innere Kind erhalten, täglich masturbieren und kein Schweinefleisch essen!«
Alter ist das Lieblingsthema der Deutschen. Aus gutem Grund, die Alten bilden bald die Mehrheit der Gesellschaft. Und bereits jetzt sind die Gerontos schon in der absoluten Überzahl im Fernsehen. Das gilt für alle Bereiche. Florian Silbereisen ist der Betreuer für hochbetagte Stars wie Roland Kaiser und Mireille Mathieu. »Wunderbar, einzigartig, bezaubernd«, schleimt er und hofft, dass er auf offener Bühne nicht zur Herzdruckmassage übergehen muss und das Publikum dazu, wie bei jeder Nummer, rhythmisch mitklatscht.
Dabei sind die Alten zäh und liefern ab. Präzise, elegant und souverän leisten sie ihren Dienst bei der »Tagesschau«, als »Tatort«-Kommissare, als Serienschauspieler und Talkmaster. Die Alten machen ihre Jobs, so lange es geht, und das ist doch gut so. Sie versuchen, so glattgebügelt und aufpoliert auszuse -hen wie möglich. Das vermutlich gleichaltrige Publikum sitzt derweil mit dicken Bäuchen auf den Sofas und grunzt neidisch: »Hat der das nötig?«
Wäre nicht etwas mehr Stolz und Hochachtung angebracht? Die alten Hasen sind Profis, machen nicht auf Frührentner und zahlen ordentlich Steuern. Sollten sie nicht ein bisschen wie Stammesälteste hofiert und geschätzt werden? So wie im »Riverboat« beim MDR. Dort werden regelmäßig dank ihrer Betagtheit und interessanten Krankheiten Leute eingeladen, von denen man als Zuschauer fürchtet, dass sie nach der Sendung beatmet werden müssen.
Es wäre natürlich schöner, wenn sie nicht dauernd so tun müssten, als seien sie der Pubertät erst kürzlich entsprungen. Die kichern und albern wie die lieben Kleinen im Nichtschwimmerbecken. Da aber der Infantilismus sowieso in jeder TV-Rateshow um sich greift, fällt das auch nicht weiter auf. Da lob ich mir einen Thomas Gottschalk, der, den Oberschenkelhalsbruch vor Augen, zaghaft die Showtreppe herunterwankt und sich artig bedankt, dass das Publikum ihn trotz seniler Aussetzer noch erträgt. Er jammert rum, dass er mit »Social Media« nichts anfangen kann und ihm die Haare dünn geworden sind. Dabei hat dieser Mann Millionen gemacht und Millionen erreicht!
Warum machen sich die Alten klein? Ist Altsein das neue Behindert?
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Die Fernsehwelt vor zwanzig Jahren war dominiert von alten Männern. Ein Karl Moik oder ein Dieter Thomas Heck oder Blacky Fuchsberger hätten nie ihre hängenden Augenlieder gestrafft und sich bei irgendwelchen Instagram-Kindern für ein gepostetes Foto angebiedert. Das Alter hätten diese Herren nie zum Thema gemacht. Warum auch, Alter bedeutete Macht und Macht ist sexy. Wer damals nicht alt war, hatte nichts zu melden. Erst mal die Sporen verdienen und dann die Hörner abstoßen und bei den alten Männern Stiefel lecken und dann …
Die verwelkten Damen sind natürlich eine Klasse für sich. Eine Uschi Glas oder Iris Berben sind nicht alt, sie sind reif. Und reif ist immer noch essbar. Wenn weibliche Fernsehgesichter nicht mehr herzeigbar sind, verschwinden sie leise, wie alte Katzen, die sich zum Sterben in den Wald verkriechen. Dabei kann man mit etwas Aufwand und vielen Schmerzen heute lange appetitlich aussehen. Madonna zum Beispiel tanzt in ihrer neuen Super-Show jedes verpimpelte Pop-Girl an die Wand. Ob ihr 64-jähriger Körper mit einer Fremdspenderhaut überzogen wurde, ist nicht belegt, aber wahrscheinlich. Man kann also viel tun, um einfach nicht alt zu werden. Z.B. früher sterben. Wem das nicht gelingt, für den erklärt das ZDF in Dokus wie »For -ever young – Wie können wir das Altern stoppen?« in leichter Sprache einfache Regeln: Wer aktiv, lebensfroh, weltgewandt und sexuell aktiv ist, wird hundert und sieht aus wie siebzig bis zum Schluss. Und es wird bald Pillen geben, die jung und unsterblich machen. Aber bis dahin müssen wir wohl jeden Tag uns und den Fernsehgesichtern beim Kampf gegen den Verfallsprozess zuschauen. Wer das unterhaltsam findet, der ist gut bedient.
FELICE VON SENKBEIL
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