»Ich erwarte ein gewisses Entgegenkommen«

Der Urlaubertester Ludger Brawand (42) über seinen Arbeitsalltag

Herr Brawand, Sie testen nicht Urlaubsorte, sondern Urlauber. Wie machen Sie das?

Da gibt’s viele unterschiedliche Methoden. Zuerst erfasse ich die Rahmendaten: Familienstand, Alter, Geschlecht, Gewicht, Körperlänge, Nationalität, Schuhgröße, Blutdruck, Sternzeichen, Schulabschluss, Beruf, Leibgericht, Lieblingsfarbe, Jahreseinkommen, Hobbys, Vorerkrankungen, Sexualgewohnheiten …

Ist das nicht etwas indiskret?

Das meiste lässt sich ja heutzutage den sozialen Medien entnehmen, und im Zweifelsfall helfen Fangfragen.

Zum Beispiel?

In einer Kräutersauna in Bad Wörishofen war da neulich mal so’n Opi, der mir nicht sagen wollte, wie hoch seine Rente ist. Den hab ich dann ein zweites Mal gefragt und seinen Kopf eine Zeitlang in den Bottich mit dem Aufgusswasser getunkt. Danach ist der gute Mann schon viel gesprächiger gewesen.

MATTHIAS KIEFEL

Als Urlaubertester wollen Sie doch aber bestimmt noch viel mehr über Ihre Probanden erfahren …

Im Prinzip interessiert mich deren gesamte Lebensgeschichte. Mit den richtigen Hilfsmitteln kann man aus den Menschen eine ganze Menge herauskitzeln.

Was verstehen Sie unter Hilfsmitteln?

In erster Linie Alkohol. Brauchbare Tools sind aber auch Barbiturate, LSD, 4-Hydroxybutansäure und psychischer Druck.

Und welchem Zweck dienen Ihre Testreihen?

Zu meinem Kundenkreis gehören sowohl Reisebüros, Airlines und Hotelketten als auch Strandkorbvermieter, Tourismusministerien und Fremdenverkehrsämter. Die wollen ja nicht die Katze im Sack kaufen, sondern lieber ganz genau wissen, mit wem sie sich einlassen.

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Sie erstellen also sozusagen Urlauberprofile …

So könnte man’s ausdrücken. Und wenn ich finde, dass bestimmte Urlauber und Urlauberinnen abgewiesen werden sollten, kommt ein entsprechender Vermerk ins Zeugnis.

Können Sie dafür ein Fallbeispiel anführen?

Nehmen wir mal die fünfköpfige Familie Döschnitz aus Bad Frankenhausen im Kyffhäuserkreis. Die hat vorvoriges Jahr einen zweiwöchigen All-inclusive-Urlaub in Sosopol am Schwarzen Meer gebucht und voriges Jahr drei Wochen lang auf einem Campingplatz in Kühlungsborn gezeltet, und beide Male hat es Beschwerden gegeben, weil das männliche Familienoberhaupt, ein gewisser Igor Döschnitz, an beiden Ferienorten sogenannte Thüringer Rostbrätel gegrillt und öffentlich verspeist hat. Diese Sippe ist jetzt erstmal »weg vom Fenster«.

Das heißt, dass die Familie Döschnitz nirgendwo mehr Urlaub machen kann?

Jedenfalls nicht bei meinen Kunden.

Testen Sie nur deutsche Urlauber oder operieren Sie auch international?

Meine Firma hat kürzlich Filialen auf Bali, in Sydney und in Papua-Neuguinea eröffnet, und zur Zeit nehme ich auch Südamerika in den Fokus.

Unseren Unterlagen zufolge haben letztes Jahr weltweit insgesamt 5,6 Milliarden Menschen Urlaub gemacht. Die können Sie doch unmöglich alle getestet haben …

Manchmal genügen auch Stichproben. Auf Baltrum habe ich vergangene Woche eine Urlauberin aus der Samtgemeinde Dörpen getestet und dem Bürgermeister daraufhin empfohlen, ein zweijähriges Einreiseverbot für sämtliche Emsländerinnen zu verhängen.

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Was hat sich die Dame denn zuschulden kommen lassen?

Der Datenschutz verbietet mir, hier in die Einzelheiten zu gehen. Lassen Sie es mich einmal so formulieren: Als Urlaubertester erwarte ich ein gewisses Entgegenkommen von den Urlaubern und nicht zuletzt oder sogar vor allem auch und gerade von den Urlauberinnen, denn diese wünschen sich ja selbst, an ihrem Urlaubsort mit einer Elite von Urlauberinnen und Urlaubern zusammenzutreffen und nicht mit Hans und Franz. Es muss also gesiebt werden. Das ist die Dienstleistung, die ich im Interesse aller Urlauber und Urlauberinnen erbringe. Aber wie soll ich das tun, wenn eine Testperson wie diese Dörpenerin Zicken macht, sobald ich ihr einen Himbeerlikör spendieren will und sie nach ihrer Körbchengröße frage?

Reagieren viele Testpersonen so überempfindlich?

Nein. Das war schon ein Extremfall. In der Regel wollen die Leute ja nicht auf die Schwarze Liste gesetzt werden. Die Mehrheit der Urlauber und Urlauberinnen tritt mir ganz offen gegenüber, und ich erfahre außerdem viel Zuspruch in Gestalt von Sachzuwendungen oder menschlicher Nähe.

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Klingt nach einem Traumjob.

Das wäre jetzt auch wieder übertrieben. In den Osterferien habe ich in der Steiermark zwei Dutzend Weinköniginnen getestet. Das war echte Knochenarbeit.

Und wo geht’s morgen hin?

Nach Usedom. Dort werde ich am FKK-Strand Zinnowitz die Pressesprecherin der IG Bauen Agrar-Umwelt und die stellvertretende Gleichstellungsbeauftragte der Theologischen Fakultät der Universität Wipperfürth testen.

Sie haben es anscheinend faustdick hinter den Ohren, Herr Brawand!

Wie man’s nimmt. Ich wollte eigentlich Zerspanungsmechaniker werden, doch das hat sich irgendwie nicht ergeben.

Und was klötert da so lustig in Ihrem Rucksack?

Ein Lügendetektor, eine Daumenschraube, eine Streckbank und ein Fläschchen Liebesperlen.

Keine weiteren Fragen. Machen Sie’s gut!

GERHARD HENSCHEL

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