Es war eine so gute Idee…

So habe ich mir das nicht vorgestellt. Ich dachte, wenn ich bei der Stadt arbeite, funktioniert alles geregelt und diszipliniert. Aber Pustekuchen! Und das liegt ganz bestimmt nicht an diesem Dezernat. Meier, der es wissen muss, hat gesagt, dass das in der ganzen Stadtverwaltung so läuft. Jeden Tag dieselbe Schlacht, immer die gleiche Anspannung: Klappt es diesmal, finde ich heute endlich Entspannung? Es ist der reinste Nervenkrieg. Ich krieg schon nachts kein Auge mehr zu vor Stress.

Tom Fiedler

Natürlich haben wir schon längst einen Antrag gestellt auf ergonomische Matratzen. Härtegrad zwei, das wäre was! Dann würde endlich Frieden im Schlafraum einkehren. Aber noch ist unklar, ob die Allgemeine Verwaltung, das Dezernat Stadtentwicklung und Bau oder das Dezernat Wirtschaft, Arbeit und Digitales für die Anschaffung unsere Matratzen zuständig ist. Soviel ich weiß, wird gerade an einer Entscheidungsvorlage dazu gearbeitet, die dem Oberbürgermeister vorgelegt werden soll, damit er dann die Sache klärt. Bis dahin könnte es bei uns in der Stadtverwaltung möglicherweise Tote geben.

Koslowski ist das Problem, unser Dezernent. Weil hinter seinem Büro die Wasserrohre von der Toilette eins drüber verlaufen, kann er in seinem Büro nicht schlafen. Ich denke ja, das ist ein vorgeschobener Grund. Er hat bloß keinen Bock, den Mittagsschlaf in seinem Schreibtischstuhl zu machen. Denn für eine Aufbettung ist sein Büro zu klein. Deshalb kommt er seit ein paar Wochen zu uns in den Schlafsaal.

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Dort ist zwar Platz genug, aber wir haben nicht genügend Hängematten. Ich weiß nicht, nach welchem Verteilschlüssel das berechnet wurde. Wir sind 28 Mitarbeiter auf der Etage und haben nur sieben Hängematten. Alle anderen müssen auf steinharten Gummimatratzen schlafen. Härtegrad vier – mindestens. Die reinste Zumutung für die Bandscheiben!

Am Anfang ging das noch ganz gut, wir haben uns abgewechselt. Jeder durfte mal in die Hängematte, die Reihenfolge wurde alphabetisch festgelegt. Dann hat erst Frau Kleinschmidt behauptet, sie könne wegen ihres Rückens nur in der Hängematte liegen. Das haben wir durchgehen lassen, immerhin blieben noch sechs Hängematten übrig. Und die Kleinschmidt ist eh komisch, die parkt auch auf dem Behindertenparkplatz, weil sie angeblich Tinnitus hat. Da darf man nicht nachfragen, sonst ist sie gleich wieder krankgeschrieben.

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Aber dann kam Koslowski dazu. Wie könnte jemand dem Dezernenten die Hängematte verweigern? Zähneknirschend haben wir zugesehen, wie er sich Mittag für Mittag in die Matte geschwungen hat. Amtsbonus. Das haben sich die Abteilungsleiter abgeguckt und bald musste das einfache Fußvolk immer auf dem Boden schlafen.

Ich glaube, es war die Krüger, die eigentlich nur Sekretärin ist, die zum Gegenschlag ausgeholt hat. Sie kam einfach fünf Minuten früher und stellte sich dann, wenn die anderen kamen, schlafend. Irgendwann kamen alle früher. Manche machten sich sogar schon kurz nach zehn Uhr zum Schlafsaal auf, bis Koslowski wieder die alte Ordnung herstellte: offizieller Mittagsschlaf in der Stadtverwaltung gilt seither von ein Uhr bis zwanzig nach.

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Aber Koslowski ist ein Mistkerl! Weil er selbst oft noch beim Mittagessen sitzt, wenn die offizielle Schlafenszeit beginnt, reserviert er sich seine Hängematte, indem er irgendwelche Akten darauf ablegt. Die Abteilungsleiter haben das nachgemacht – und wenn wir nun in den Schlafsaal kommen, liegen schon überall Akten und Ordner in den Matten.

Aber irgendjemand findet sich inzwischen nicht mehr damit ab. Ich habe Becker, den Pförtner, im Verdacht. Er hat so einen fiesen Blick. Eines Tages waren alle Hängematten frei und die Akten lagen auf dem Boden. Ein Antrag auf Sozialhilfe war sogar im Mülleimer gelandet. So geht das nun Tag für Tag: Die Leitung reserviert die Hängematten mit irgendwelchen Unterlagen – und irgendwelche Mitarbeiter werfen sie heimlich weg und beziehen dann die freien Matten.

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Wir sind seitdem deutlich effektiver geworden. Seit die Akten im Mülleimer des Schlafsaals verschwinden, geht es bei uns spürbar in Richtung papierloses Büro. Aber die Bürger überschütten uns mit drohenden Eingaben. Und im ganzen Team herrscht eine angespannte Unruhe: Wie lange wird sich der Dezernent das noch gefallen lassen? Wann wird er zum Gegenschlag ausholen? Kommt es dann zum Aufstand der Untergebenen?

Ich wollte eigentlich nur einen ruhigen Job und um halb drei Feierabend. Ich habe es bis in die mittlere Führungsebene geschafft. Jetzt fürchte ich um mein Leben. Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister, schaffen Sie bitte mehr Hängematten an – oder heben Sie notfalls die Pflicht zum Mittagsschlaf auf!

BERNHARD SPRING

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