Thüringer, sei vorsichtig!

Jeder hat ab und zu mal Fantasien. Meist sind es schmutzige, und man kriegt innerlich einen roten Kopf davon. Man muss sich dann sehr konzentrieren, sonst wird der äußerlich rot und das ruft die Gedankenpolizei auf den Plan: »Schatz, du guckst so komisch, woran denkst du gerade?« »Ooch, eigentlich an gar nichts, beziehungsweise natürlich an dich.«

»So siehst du aber nicht aus.« »So? Wie sehe ich denn aus?« »Du denkst bestimmt an diese … an diese … diese verdammte Klospülung, die du noch reparieren musst.«

»Ertappt, Liebling! Dir kann man aber auch gar nichts vormachen.«

Man wird der Liebsten ja nicht auf die Nase binden, dass man gerade an einen Plan zum Umsturz der verfassungsmäßigen Ordnung gedacht hat, man will sie da (noch) nicht mit reinziehen!

Fantasien zu haben, ist seit jeher gefährlich. Schon im alten Rom und unter Karl dem V. gab es eine Gedankenpolizei, erst recht unter Metternich, Lawrenti Berija und Walter Ulbricht. Damals schrieb man Fantasie noch mit Ph, aber die schmutzigen Gedanken waren dieselben: »Die da oben«, diese Schweine, wenn man könnte, wie man wollte, man würde denen – ja, was eigentlich? Die Ringelschwänzchen abschneiden? Mal richtig die Meinung geigen?

Zeichnung: Hannes Richert

Na, das fällt einem dann schon ein, wenn es so weit ist …

Schon immer versuchen Gedankenpolizisten schmutzige Gedanken präventiv zu verdünnen. Das lernen sie auf ihrer Gedankenpolizei-Schule: Sie lassen Mitläufer, die es auch immer gibt, öffentlich Treue schwören, auf den Kaiser, das Vaterland, den Führer bzw. Vorsitzenden des Staatsrates und Generalsekretär an der Spitze und natürlich auf die freiheitlich demokratische Grundordnung (FDGO) als die vergleichsweise schönste Art, sich ausbeuten zu lassen. Die Schlagzahl der täglichen Treueschwüre ist seit Karl dem V. konstant (Quelle: eigene Forschungen).

Schmutziger Gedanken habhaft zu werden ist nicht leicht. Es gibt dafür allerhand spitzfindige Methoden – sie laufen alle auf Folter nebst Geständnis hinaus. Man braucht ja einen Beweis, sonst ist eine Hinrichtung nämlich nicht rechtens.

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Hinrichtungen sind heutzutage durchweg unblutig und erfolgen – sonst wäre es gar nicht zu schaffen – in Gruppen: die Ossis, die Stasis, die Dieselfahrer, die SUV-Fahrer, die Putinfreunde, die Impfgegner, die Fleischfresser, die Vielflieger und diejenigen, die stupend »der Tisch« sagen und damit alle diversen Tische beleidigen.

Na, und die Umstürzler! Der Chef des Thüringer Verfassungsschutzes hat kürzlich ermittelt, dass in seinem Geheimpolizei-Bereich zahlreiche Individuen »Fantasien hegen« bzw. »Fantasien in sich tragen«. Und das auch noch heimlich! Diese sind besonders schmutzig, wenn nicht sogar schlüpfrig, denn es sind »Umsturzfantasien«. Das hat ihn so erschüttert, dass er – für den Chef einer Gedankenpolizei äußerst ungewöhnlich – gleich den MDR mit seinem Ermittlungserfolg füttern musste.

Aber wie hat er diese Fantasien ermittelt? Ließ er Schlafzimmer abhören (»Du, Liebling, ich muss dir gestehen – am liebsten würde ich dem Scholz die Platte polieren. Aber das bleibt unter uns!«)? Hat er Spitzel in Kneipen platziert, z.B. am Erfurter Anger, wo man fast abendlich »Schnauze voll, hier!« hören kann? Wahrscheinlich hat der Dienst einfach festgestellt, dass sich die Schlagzahl der Treuebekenntnisse zur FDGO in Thüringen von Woche zu Woche reduziert, und zwar rapide.

Das zeigt doch nur, dass es hoffentlich bald krachen wird, zumindest in Thüringen. Immer waren es die Umstürzler, die die Weltgeschichte nach vorn geschubst haben – die Pariser Kommunarden, die russischen Bolschewisten, Joachim Gauck, Wolf Biermann, Wolfgang Kubicki …

Bis dahin, liebe*r Thüringer*In, sei vorsichtig! Wahre die Konspiration! Für den Fall, dass Du unvermittelt auf der Straße angeherrscht wirst: »Was denken Sie gerade? Gestehen Sie! Wer sind Ihre Hintermänner*innen?«, solltest Du eine schmutzige Antwort parat haben, wie: »Ein flotter Dreier wäre nicht das Schlechteste« oder »Ich würde gerne mal mit dem Bodo R., aber nur wenn sein Terrier dabei zuschaut.« Auf keinen Fall darfst Du die perverse Fantasie ausspucken, die Du in Dir trägst, z.B. »Freiheit statt Kapitalismus!«.

Einen roten Kopf darfst Du natürlich auch nicht kriegen. Denn dann haben sie Dich!

MATTI FRIEDRICH

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