Fischstäbchen sind aus

FERNSEHEN

Früher hätte man die Ökothriller-Serie »Der Schwarm« im ZDF einen »Straßenfeger« genannt. Mit diesem Titel konnte die Sendeanstalt einst Meisterwerke der TV-Unterhaltung wie »Wetten, dass..??« und »Die Schwarzwaldklinik« adeln. Und nun also das Schwarmverhalten der Gebührenzahler! Mehr als 1,5 Millionen Menschen haben die erste Folge des Megaprojekts gesehen und größtenteils bis zur dritten Episode durchgehalten. Das heißt, junge Menschen, die sicher auch darunter waren, haben sich jeweils 45 Minuten lang mit Meeresbiologie statt mit Kim Kardashians Arschbacken beschäftigt. Ein zivilisatorischer Hauptgewinn – da verbietet sich eigentlich jede Kritik.

DORTHE LANDSCHULZ

Bei einem Budget von 40 Millionen Euro darf man schon was erwarten. Etwas ganz Großes nämlich, einen Eyeopener, die Serie zur Klimakrise, eine Message an die Menschheit, ein Fanal zur globalen Zeitenwende bis in die finstersten Tiefen der Ozeane, dorthin, wo (angeblich) diese mörderischen Eiswürmer siedeln und an ihrem Erbrochenen ersticken. Geworden ist es vor allem: langweilig und vorhersehbar. Und auch ein bisschen penetrant: Ob ein fetter Hummer Gift in die Großraumküche scheißt oder ein Monsterfisch das Boot der niedlichen Kinder erschlägt – immer soll Vati zu Mutti vor dem TV sagen können: »Siehste, die Natur schlägt zurück!«

Vielleicht sind es die Unterwasserbilder, die eher entspannen als aufregen und die wir in Naturfilmen auf Arte auch schon so genossen haben, vielleicht ist es die Betulichkeit, mit der hier bedeutungsschwere Blicke getauscht und Mundwinkel fallen gelassen werden. Womöglich aber – nein, nein, das kann, das darf nicht sein! – ist die Story einfach schwach.

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Auf jeden Fall macht der Fernsehabend Appetit auf Fisch; leckerer Hummer, Fischstäbchen oder Frutti di Mare …

Da ist auch schon das Hauptthema, die Ausbeutung der Meere, der unersättliche Fischhunger der Menschheit. Dem großen Fressen folgt das große Sterben, die Vergeltung, die Forschungsschiffe samt der teuren Technik auf Nimmerwiedersehen verschwinden lässt.

Und so geht’s: An verschiedenen Orten der Erde erleben Menschen mysteriöse Naturereignisse. Fischschwärme ziehen einen Fischer hinunter, Wale greifen völlig Unschuldige an, Hummer explodieren, bevor sie in den Kochtopf fliegen, und verteilen tödliche Bakterien. Verschiedene Wissenschaftler versuchen den Phänomenen auf den Grund zu kommen und erkennen langsam, sehr langsam, was der Zuschauer längst weiß: Es ist die Rache der Ozeane.

Die Küstenlandschaften und Klimazonen wechseln, die Helden bleiben dauerhaft unwissend. Aber es menschelt hier und da. »Es pilchert mehr, als es schwärmt«, findet der Bestseller-Autor Frank Schwätzing und meint damit sicher die Wissenschaftlerromanze zwischen Gum -mistiefeln und Laborbericht, zwischen ethischer Verantwortung für die Wahrhaftigkeit der Messreihen und schnödem Paarungsinteresse (»-trieb« wäre schon zu drama -tisch). »Terra X«, die Anschluss-Do -ku, die das Gesehene populärwis -senschaftlich nacharbeitet, war auch nicht langweiliger.

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Natürlich ist es nicht fein, wie die Wale Touristenboote zerschmettern und Walgucker im Meer ertrinken. Auch wenn sich der Restaurantchef im Todeskampf mit dem Killerkeim auf dem Boden windet und ihm final ein Pfützchen Blut aus dem Mund läuft, sollte man Mitleid kriegen. Aber das bleibt aus. Wohl weil die Sympathien bei den eigentlichen Opfern der Ausbeutung liegen, den Fischen, Muscheln, Krebstieren. In anderen Thrillern der Machart »Natur, das fürchterliche Wesen« wird das gefährliche Getier (Vögel, Spinnen, der Weiße Hai oder Dinosaurier) verachtet, gehasst, vernichtet. Anders in »Der Schwarm«: Hier soll der Mensch, wenn er kein Veganer ist, seine Schuld erkennen.

Die Heldenfiguren wechseln so schnell wie die Rachepläne der Meeresbewohner. Natürlich sind Hel -den der Serie divers, international, Kenner von allerlei Fischarten und Einzelgänger. Emotional andocken kann man bei keiner der Figuren und wenn, dann ist sie in der nächsten Folge tot. Dass die Welt dereinst im Meer versinken wird, mag eine belastbare Prognose sein. Aber es macht einfach keinen Spaß, dabei zuzuschauen.

Und diesen Freitag gibt’s bei uns Huhn.

FELICE VON SENKBEIL

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