Arbeit schändet nicht

Von FELICE VON SENKBEIL

Es begann mit einem bunten Zettel in der Eltern-Postmappe. Eine Einladung zum Herbstputz in der Grundschule meines Sohnes. Hurra, ich bin dabei, rief ich ganz für mich selber laut aus und kramte die noch nie benutzte 400-Euro-Outdoorjacke und die Designer-Gummistiefel hervor.

Endlich mal was Vernünftiges, nach all den Stunden im Bett vorm Rechner, in denen ich alberne Texte verfasse und Bildzeitung lese! Ich bestellte noch rasch die besten Gartenhandschuhe, die es in Trendfarben gibt.

UWE KRUMBIEGEL

Mein Sohn konnte meine Euphorie nicht teilen. Er geht in die sechste Klasse und verbringt seine Zeit mit Matherätseln und Schach, statt an der frischen Luft zu kiffen. Und er hat überhaupt keinen Bezug zu körperlicher Arbeit. Echte Arbeiter haben wir nicht in der Familie. Nur einen Onkel, der marxistische Philosophie studiert hat und folgerichtig Flaschen sammelt, zumeist die, die er selber ausgetrunken hat. Der Sohn kennt nicht einmal die Müllmänner. Denn wenn die angerumpelt kommen, schläft er noch. Den Pizzaboten kennt er nur von hinten, wenn er schon wieder die Treppe runterläuft. Und Bauarbeiter? Die sind neuerdings hinter haushohen Werbeplanen versteckt, damit die Begegnung mit der Arbeiterklasse den Rest der Bevölkerung nicht verunsichert.

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