Ahoijojoj

Immer, wenn ich in der Wanne sitze, komme ich mir vor wie der Meeresgott Neptun. Ich bin dann Herrscher über das Wasser und alle Naturgewalten wie Seife und Handtuch. In meinem Herrschaftsbereich gelten noch die alten Regeln von Hierarchie und Gehorsam. Wer nicht pariert, geht unter. Manchmal erzeuge ich dafür extra Monsterwellen oder einen Tsunami. Ich kann auch die Wasseroberfläche mit Schaum überziehen oder Sturmfluten auslösen, und Seebeben gehören zu meinen leichtesten Übungen. Besonders gern imitiere ich einen submarinen Vulkan, indem ich aus geheimnisvollen Tiefen Gase an die Wasseroberfläche aufsteigen lasse. Maritime Gefahren gehören für mich dabei zum Alltag: Oft kann es beispielsweise zu Kollisionen mit treibenden Hindernissen kommen: Eisberge werden zwar in Zeiten des Klimawandels immer seltener gesichtet, aber driftende Badeschwämme und sinkende Waschlappen sind eine niemals zu unterschätzende Bedrohung. Nur sehr selten kommt es dagegen in meiner Badewanne zur Strandung. Die Beschichtung sämtlicher Uferbereiche mit Acryl verhindert dies.

Größtes Ärgernis meiner göttlichen Berufstätigkeit ist regelmäßig der Auftritt meiner Gattin Elfriede. Sie weigert sich nicht nur, auf den Namen Neptunia zu hören, sondern lässt auch noch Ermahnungen ab wie etwa: »Sitz doch bloß mal still, das ganze Bad schwimmt ja schon wieder!« Schweren Herzens verstecke ich dann meinen Dreizack (Zahnbürste) unter Wasser und tue, wie mir geheißen. Natürlich bleibe ich trotzdem Herr des Geschehens. Bis sie wieder draußen ist, imitiere ich jetzt einfach einen Kreuzfahrtpassagier in Corona-Quarantäne.

RU

    Anzeige