Endlich mal wieder raus!
Von FELICE VON SENKBEIL
Gürkchen, Leberwurstbrote und eine Tüte Gummibärchen hatte ich eingepackt und meinem Teenager vor die Zimmertür gestellt. Dazu noch zwanzig Euro Taschengeld in den Halbmeter-Turnschuh gesteckt, als kleine Überraschung, dann konnte es losgehen. Klassenfahrt! Wir waren schon seit Tagen aufgeregt. Eine Auszeit vom Schulalltag hatte er sich wirklich verdient.
Seit Monaten öffnet er heldenhaft die Augen, pünktlich um acht, und schaltet sein Handy an. Stundenlang folgt er dem Onlineunterricht und muss nebenbei alle Youtuber im Blick behalten, mit den Kumpels chatten und »World of Warcraft« spielen. Das ist unheimlich anstrengend, mental jedenfalls – »geistig« will ich nicht sagen. Körperlich hat mein Teenager die Lebensweise eines Alligators angenommen. Scheinbar leblos lümmelt er mit dem Smartphone im Jugendzimmer. Doch manchmal, plötzlich, wie durch Blitzschlag geweckt, schnellt er hoch, extrem aggressiv. Und zwar bei Elternkontakt: Die Tür zu seinem Raum zu öffnen, während er »lernt«, wenn nicht sogar »arbeitet«, ist etwa so lebensgefährlich, als würde man Lenin im Mausoleum mit nackter Hand am Knebelbärtchen zupfen!
Aber diese Woche sollte alles anders werden. Klassenfahrt – der Rhythmus der Eisenbahn, der Fahrtwind, der einem um die Nase weht, die Felder und Wälder fliegen vorbei, Wandern durch den Frühlingswald, drei Tage, zwei Übernachtungen (eine davon im Schlafwagen), grenzüberschreitend. Natürlich – angesichts der immer noch bedenklichen Inzidenzzahlen – alles virtuell. Eine virtuelle Klassenfahrt!