Resilienz und schöne Füße

Unsere Besten

Sie hat alles richtig gemacht. Deutschland verlassen, bevor eine andere Bitch hier Königin wurde, einen Beitrag zur Volksgesundheit geleistet, indem sie Millionen junge Frauen vor der Verfettung bewahrte und einen Mann geheiratet, der ihr in ein paar Jahren die Bettpfanne bringen wird. Sie ist, nach Leni Riefenstahl und Beate Uhse, die weltweit bekannteste deutsche Selfmade-Frau und anders als diese beiden: Sie ist noch am Leben.

Frank Hoppmann

Zuvörderst bemerkenswert ist – von ihrer atemberaubenden Schönheit abgesehen – ihre volkspädagogische Leistung. »Vom Tellerwäscher zum Millionär«, dieser uralte Leitspruch des Neoliberalismus – das war einmal! Heidi hat niemals einen Teller gewaschen! Sie hat Millionen angehäuft durch Nichtstun und Nichtskönnen. Alles, was es brauchte, war ein stets rechtzeitig eingeschaltetes strahlendes Lächeln und die Fähigkeit, sich hingebungsvoll benutzen zu lassen.

Ihre »Mädels«, wie Heidi die Frischware, die ihr das Haus einrennt, liebevoll nennt, bewundern sie dafür. Angeblich modernen jungen Frauen von heute ist die Freude an der Unterwerfung abhanden gekommen. Sie merken gar nicht, wie ihr Streben nach Selbstachtung, Individualität und einem Sitz in den Aufsichtsräten börsennotierter Konzerne an dem Wertvollsten nagt, das sie (wenn die Natur nicht kläglich an ihnen versagt hat) besitzen: ihrem Liebreiz, ihrer Schönheit!

Ihre Eltern haben versagt. Ausreichende Ernährung, ernsthafte Gespräche vor der ersten Periode und die Masernimpfung reichen eben nicht als Mitgift fürs Leben. Antiautoritäre Verirrungen im Elternhaus – natürlich eine Folge der politischen Fehlentwicklungen der 68er – entlassen die jungen Dinger völlig unerzogen und orientierungslos in die Welt, ja, haben die Welt ein Stück weit hässlicher gemacht. Man braucht an einem warmen Tag nur einmal die Straße runterzugucken – da schlurft das orthopädische Elend: runde Rücken, schwere Hintern, Senk – füße, krampfig hochgezogene Schultern, Beine, zwischen denen man eine Mülltonne durch – rollen könnte! Und dann Klamotten, die ziel – sicher den jeweils auffälligsten Makel betonen – für eine Modelkarriere gründlich versaute Ware. So schleppen die Töchter dieses Landes sich dahin, bepackt mit der Einbildung, die ihnen Mama und Papa mitgegeben haben: Sie seien etwas ganz Besonderes. Dabei reicht es nicht mal, um für Rügenwalder Mettwurst in der deutschen Provinz zu posieren.

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Ausgabe 09/2019 – S. 20-21

Vor allem aber fehlt den »kleinen Zicken«, wie Heidi ihre Zöglinge auch nennt, die sie unter größten Anstrengungen das Laufen lehrt, das Wichtigste: Respekt, Demut, Resilienz, also die Fähigkeit, die knackigen Arschbacken zusammenzukneifen. Die glauben wirklich, nach Lust und Laune essen und sprechen zu können!

Wahrlich, man darf getrost auch Leni oder Beate zu Heidi sagen. Denn wie diese beiden, so hat auch Heidi nie gejammert. Als die Klum im letzten Jahrtausend nach New York trampte, um was aus sich, d.h. aus ihren Brüsten zu machen, musste sie hart knabbern. Und zwar am Knäckebrot, das sie aus dem Bergischen Land eingeführt hatte.

Äußerlich fiel sie nicht weiter auf, sie war »klein und rund«, wie Karl Lagerfeld sie be – schrieb, keine wilde Schönheit wie die Campbell, keine Kindfrau wie die Moss. Ihr Kapital waren deutsche Tugenden, mit rheinischem Frohsinn gepaart. Sie kicherte, wenn man ihr das Klebeband von den Nippeln zog, wenn sie bei Minusgraden im Bikini posierte oder sich für Fotografen von Wolkenkratzern schubsen ließ. Wenn die besser bezahlten Kolleginnen schon kotzend und koksend das Wochenende feierten, war die Heidi noch am Start. So geht die Legende, die sie selbst erzählt.



Es war also nicht nur ihr Körper (der neben Kälte und Hitze und Wasser und Stromstößen angeblich sogar Big Macs verträgt). Aber was war es dann?

Der Papa war’s! Ihr Mentor, Schatzmeister und Bodyguard. Und ihr Traummann, bis sie mit Ende dreißig austherapiert war. Noch heute ist er nicht nur »die gute Seele« und der Hausmeister im Model-Puff der Klum, sondern der König, eine große Nummer in der Mädchenhändlerszene. Doch die Prinzessin ist nun flügge. Nachdem sie ein paar Männer verschlissen und ein paar Kinder geboren hat, macht sie, was sie will. Neulich hat sie sogar einen Ossi geheiratet – wie bizarr –, um ihm den Aufenthaltsstatus in den USA zu sichern. Der haarige junge Mann, ein Ex-Teenie-Star, bringt nicht nur seinen Zwillingsbruder mit in die Ehe, sondern auch eine Million Facebook-Follower. Die werden nun auch Heidi Klums Schlüpfer und ihre Jogginganzug-Kollektion bei Lidl kaufen.

Aus dem EULENSPIEGEL 09/2019

Die Goldheidi ist omnipräsent, ohne was sagen zu müssen. Täglich zeigt sie ihre nackten Füße oder Brüste in den sozialen Medien. Ihre Stimme, ein piepsiges Organ, ist nur wenigen bekannt. Sicher, auch sie könnte Geschichten erzählen, wer sie wo befummelt oder fast beinahe befummelt hat. Aber das macht sie nicht. Opfer sein rechnet sich nicht. Kein Wort verlor die Exilameri – kanerin über Trump, als ihre Hollywood-Kollegen mit Ausreise drohten. Sogar als sie heftig für ihre McDonald’s-Werbekampagne kritisiert wurde, lächelte Heidi die Hater einfach weg. Was interessieren sie die Probleme der Welt? Sie hat ja keine.

Heidi ist ein offenes Buch, rückhaltlos ehrlich. Sie gibt Auskunft über ihren Schmuck und zeigt, in welchem Bettzeug sie und der Ossi es treiben.

Sie ist auch ein biologisches Wunder – Millionen vornehmlich weiße Frauen haben durch sie den Glauben an die ewige Jugend gewonnen. Der weibliche Körper muss nämlich nach dem Gebären nicht aussehen wie eine leergeknautschte Luftmatratze. Sofort nach Kind 2, 3 und 4 ging Heidi wieder in Unterwäsche auf den Strich. Aber sie ging noch weiter in ihrem Hockauf-Aktivismus: Sie hatte gleich nach der Niederkunft Sex, und zwar in einem Schrank! Diese Nachricht war für die Frauen der Welt von größerem emanzipatorischen Gewicht, als es das Binnen-I oder eine Frauenquote im Bundestag je sein können.

Wie sieht ihr Alltag aus? Wir wissen es! Ja, auf dem Klo oder im Dunkeln trägt sie manchmal kein Make-up. Sie steht in aller Herrgottsfrühe auf und ist zeitiger im Büro als die Kanzlerin. Dort hält sie sich konzentriert auf, ernährt sich mit Fast-Food, weil das gesund und schlank hält und schreibt wahrscheinlich an einem Buch über die Frau im 21. Jahrhundert. Ist sie etwa eine Feministin? Natürlich, wie Melania und Ivanka Trump.

Und ganz nebenbei: Unsterblich ist sie auch, zumindest ihre Brüste sind es. Sie hat vorproduziert (ein bisschen wie Leni Riefenstahl). Es gibt Tausende Fotos von ihren Dingern, die nach präzisem Timing bis 2030 in den sozialen Medien gepostet werden.

Und nehmen wir mal das schier Unmögliche an: dass eines Tages ihre Füße verhornt sind und ihre Haut wie Leder, dann läuft sich das Frischfleisch für sie immer noch die Fersen wund.

FELICE VON SENKBEIL


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