Lebt eigentlich Elmar Brok noch?

Für viele Beobachter ist er, zumindest politisch, mausetot, seit
er nicht auf der Kandidatenliste der NRW-CDU für die Europawahl
landete. Ein »Debakel aus Versehen« (FAZ), ein Tsunami im
Weinglas, der das Brexit-Referendum und Trumps Wahlsieg zu Fußnoten
der Weltgeschichte macht.
Aber sollte für Brok nach
gerade mal 39 Jahren als EU-Parlamentarier tatsächlich schon Schluss
sein? Jetzt, wo er als einer von schätzungsweise vier MdEP
einigermaßen drin ist in der Materie. Ausgerechnet jetzt, nachdem er
als Brexit-Beauftragter der EVP mitgeholfen hat, die Querulanten von
der Insel endlich unter Quarantäne zu stellen. Nach 72-Stunden-
Schichten im europäischen Bereitschaftsdienst für wechselnde
Dienstherren, anfangs unter Kohl, später unter Merkel, immer für
Bertelsmann.
Wer maßt es sich an, in die Fußstapfen
dieses »Veteranen« (Tagesspiegel) zu treten? Wer von
den Paul-Ziemiak-Jüngelchen, die statt seiner auf der Liste stehen,
könnte ihn denn ersetzen – den »Strippenzieher « (Welt), den
europäischen »Arbeiterführer« (Merkel), das »Inventar« (alle)
des Straßburger Parlaments? Welches übrigens – quelle blamage! –
nicht um Elmar Broks Abgeordnetensessel herum errichtet wurde!
Die
dort verbliebenen Polit-Veganer können doch dem bonapartistischen
Juncker den Wein nicht reichen wie der Großoffizier von Luxemburg
und Pfeifenraucher des Jahres 2007. Der wusste immer: Im
gastronomischen Moloch Brüssel braucht es nicht Standhaftigkeit,
sondern Sitzvermögen, und die Vision, dass es die Kinder von
Lobbyisten und Industriellen einmal besser haben sollen als ihre
Eltern.
Warten wir also ab, welches Ass Brok noch aus dem
Schnauzbart zieht. Wie jeder brave EU-Funktionär weiß er, dass
demokratische Entscheide (zumal die von CDU-Landesverbänden) der
Entschärfung bedürfen (Stichwort: gemanagte
Demokratie).
Möglicherweise versteckt sich ja in einem
der von ihm mit verschlüsselten Verträge (Nizza, Lissabon, Aux
Armes de Bruxelles) eine Klausel, die ihm lebenslanges Wohnrecht in
einem parlamentarischen Hinterzimmer garantiert. Viele Schleichwege
führen nach Brüssel und Straßburg. Und Elmar Brok kennt sie alle.
Patrick Fischer
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