Ohne Tote nach Berlin

Unsere Besten

Das Auto ist der beste Freund des Menschen! Auf diesen Satz hat Andreas Scheuer sein Leben gestellt, seit er denken und noch viel besser fahren kann. Das Auto, dein Freund und Helfer, darauf hört sein zweites Motto, das ihn aus dem hintersten bayerischen Passau bis ins hohe Berlin gesteuert, ja geradewegs – ein Schmunzeln zerrt kurz an seinem Gesicht – gescheuert hat. Dem Auto verdankt er jene Mobilität, die ihn über die Zwischenstopps als Mitglied im Verkehrsaussschuss, Staatssekretär für Verkehr und Stadtentwicklung, Koordinator für Güterverkehr und Logistik, Leiter der CSU-Verkehrskommission und ersten Vorsitzenden des deutschen Schmalzlockenvereins ohne einen einzigen tödlichen Unfall ins Cockpit des Bundesverkehrsministerium führte.

Wenn er sich heute hinter das Lenkrad seines BMW schiebt, den Zündschlüssel dreht und den Motor weckt, weiß Andreas Scheuer um seinen Schutzengel, der ihn auf seiner gut ausgebauten Lebensbahn vor jeder Schramme innen und außen beschirmt hat – und nicht nur ihn. Mindestens ein zweiter Mensch verdankt ihm Glück, Gesundheit und Leben, und der weiß mit keiner einzigen Faser seines Herzens davon! Scheuers Gedanken drehen ab, wandern zurück in die Geschichte seiner einschlägigen CSU:
Einen ganzen Menschen nämlich hätte Andreas Scheuer betrunken auf der Autobahn München- Nürnberg totfahren müssen, um bayerischer Verkehrsminister zu werden. Otto Wiesheu hatte es geschafft, indem er am 29. Oktober 1983 kraft seiner übernatürlich großen Limousine und mithilfe von 1,99 Promille frischem Alkohol in den Adern einen polnischen Rentner in dessen mikroskopisch kleinem Polski-Fiat zusammenfaltete.

Das CSU-Talent musste eine – ebenfalls kaum sichtbare – Bewährungsstrafe von einem Jahr an sich vorübersausen lassen, dann wurde die Karriere repariert und Wiesheu als blitzblank polierter Verkehrsminister in München eingeparkt. Er dagegen, Andreas Scheuer, konnte unter Einhaltung der Straßenverkehrsordnung in Berlin einparken. Es war eben eine Win-win-Situation für ihn und den oben angetippten großen Unbekannten!

Während andere Christsoziale schon mal einen über den Durst tankten wie der Regensburger Kommunale Herbert Schlegl oder der Landtagsabgeordnete Philipp Graf Lerchenfeld, die mit Bier im Blut kutschierten oder ausnahmsweise andere Drogen einschaufelten wie der gleichfalls im Landtag einsitzende Peter Weinhofer, der mit Valium im Kopf durch die Vorgärten karriolte, und so weiter und mit Affenzahn so fort.

Andreas Scheuer aber hatte es sich in seinem Ministeramt zur Aufgabe gemacht, solcherlei Klischees über die CSU abzubocken, Vorurteile tieferzulegen und falsche Meinungen auszubremsen. Da spukt z.B. die Zahl von über 3 000 Verkehrstoten in Deutschland herum – von denen in Wahrheit mehr als die Hälfte Fußgänger, Radler, Motorradfahrer sind! Würden sie Auto fahren, würde die Zahl der Straßenverkehrsopfer sich also mehr als halbieren; ja, die Ziffer könnte bald auf Null einschrumpfen, wenn alle auf fahrer – loses Fahren setzen und selber zu Hause bleiben! Er, Andreas Scheuer, weiß so was aus dem Handgelenk, ist er doch in Tateinheit auch Minister für schonungslose Digitalisierung.

Oder die dummen Stickoxide. Gut und gerne 6 000 Menschen sterben an ihnen vor dem Stichtag, rund einer Million welken Herz und Lunge. Man weist mit ausgestreckter Zunge auf die Autokonzerne, doch er, Andreas Scheuer, benennt die wahre Ursache: weil die armen Schadstoffe an prall befahrenen Straßen, überbevölkerten Kreuzungen und auf von Bussen überschwemmten Busbahnhöfen gemolken werden. Als wenn in einem Park oder auf einem Stadtfriedhof keine Menschen kreuzten, die geschützt werden müssen! Andreas Scheuer schüttelt den hellen Kopf und lässt seinen altguten BMW, Baujahr 1987, aufheulen, denn es stinkt zum Himmel, wie absurd die Feinde eines gesunden Straßenverkehrs argumentieren.

Scheuer aber weiß: Autos sind die besseren Deutschen, und drückt auf die Tube, lässt menschenfeindliche Tempolimits und Fahrverbote gedanklich immer schneller hinter sich. Eine Idee breitet sich in ihm aus, während er weich in seinem Sitz klebt: Irgendwann, das ist die digitale Zukunft des Verkehrs, werden Mensch und fahrbarer Untersatz zusammenwachsen, und dazu brauchen die Autos uns!

Fakt ist: Autos leben auf Straßen wie niemand sonst. Kaum war Andreas Scheuer gut angeschnallt in seinem Ministeramt angekommen, wurden Befürchtungen ausgespuckt, er wolle vor seiner Haustür in Niederbayern weitere Autobahnen und Bundesstraßen hochzüchten und die eigene Heimat bis zum Hals zubetonieren. Das will kein Mensch, selbst Andreas Scheuer nicht! Aber er muss, damit jeder Mensch auf seinem Weg zur Arbeit klinisch reine Straßen unter seinen vier Rädern hat – und nicht, ein Grinsen flutet Scheuers Gesicht bei diesem locker hervorgewürgten Einfall, über holprige Wiesen, schlaglochgespickte Felder und naive Waldtiere brettern muss, die ganz wie kleine Kinder die Verkehrsregeln nicht kennen!

Echte Menschen hingegen kennen die Regeln und zahlen deshalb jedes Jahr brav fünfeinhalb Milliarden Euro zu viel, weil ihr Blechesel mehr säuft als hoch und heilig versprochen. Etwa die Hälfte, das muss auch mal gesagt werden, fließt allerdings in die Taschen des Staates, der sich so auf Kosten der Allgemeinheit bereichert und die hart arbeitenden Mineralölkonzerne um ihren Anteil schneidet. Scheuers Gehirn fängt an zu jucken. »Ich sehe meine Arbeit als Dienstleistung am Bürger«, bricht sich tief in ihm ein Witzwort Autobahn und flutscht heraus. Eine weitere Idee kommt ihm hoch: dass seit jeher »in Bayern eine Koalition mit den Bürgern« am Schaltknüppel sitzt und nun auch in Berlin!

Die Tachonadel marschiert in Höhen, wo die Luft dünn wird. Dass er kein geölter Auto-Lobbyist ist, beweist ihm schon der Umstand, dass bei Frankfurt am Main dieser Tage wieder fünf Hektar Wald abgesaugt werden, um Platz für den frischen Terminal 3 zu machen: Da geht es nicht ums Auto, sondern ums Fliegen. Dass das die klimaschädlichste Art der Fortbewegung ist, wie das irre Umweltbundesamt behauptet, ist viel zu niedrig gedacht. Wollen die Umweltfreaks denn in 10 000 Meter Höhe mit dem Auto langfegen? Unfug! Die grauen Zellen in Scheuers Schädelkalotte tanzen erregt umeinander. Ähnlich erregt waren sie nur, als 2015 riesige Flüchtlinge Deutschland verstopften. Zu Fuß! Wie musste er damals als CSU-Generalsekretär der Kanzlerin ins Lenkrad greifen, damit der Personenschaden nicht sogar auf mehr als eine Million anwuchs!

Scheuers Fuß dagegen befindet sich immer am richtigen Platz: am Gaspedal. Doch was ist das?! Die Tachonadel schrumpft, der Motor bläst leiser und leiser, die Landschaft draußen wird immer langsamer?
Scheuers friedhofblonder BMW steht. Still ruht der Motor, kein Mucksmäuschen kommt mehr aus ihm. Und auch Scheuers aufgeheiztes Gehirn kühlt sich langsam ab. Er blickt durch die Scheiben nach draußen: Dort steht weit und breit nur Natur herum. Was bloß will sie ihm damit sagen?

Peter Köhler
Zeichnung: Frank Hoppmann