Der fatale Augenblick

Alles begann mit einem Gefriergut-Katalog, den mir der traurig wirkende Fahrer an der Haustür »unverbindlich« offerierte. Ich zögerte zuerst. Um den armen Mann aufzumuntern, nahm ich den Tiefkühl-Prospekt letztlich doch und versprach, beim nächsten Termin probeweise eine kleine Tüte mit Mischgemüse zu kaufen.

Ab diesem Moment war der Verkäufer mein ständiger Begleiter. Er kam morgens, mittags und abends. Auch an Wochenenden und gesetzlichen Feiertagen ließ er mich nicht in Ruhe. Da ich zu keinem seiner Angebote Nein sagen konnte, nannte ich bald die gesamte Produktpalette an schockgefrosteten Lebensmitteln mein Eigen.

Während ich nachts wach lag, glaubte ich manchmal zu hören, wie er meine zur Kühlkammer umfunktionierte Garage und die vierzehn Eiscontainer im Garten mit überteuerter Neuware füllte. Einmal gelang es mir, mich tot zu stellen und ihn so lange zu täuschen, bis die Kühlung in seinem Transporter versagte und er zurück in die Zentrale musste, damit sein Sortiment nicht verdarb. Das schmale Zeitfenster nutzte ich, um mit quietschenden Reifen zu flüchten und fortan in einer Tausende Kilometer entfernten Stadt unter falschem Namen zu leben.

Doch alle Mühe war umsonst. Der teuflische Vertreter wartete vor meinem neuen Domizil bereits mit seiner prall gefüllten Eiskutsche auf mich. Mir blieb nichts anderes übrig, als mich am einzigen Ort der Erde zu verstecken, an den er mir niemals folgen konnte. Daher ein gutgemeinter Rat aus der Mojave-Wüste: Wenn Sie Ihr Dasein nicht bei Temperaturen von über 56 Grad im Death Valley fristen wollen, nehmen Sie an Ihrer Haustür auf keinen Fall Kataloge an!

PH

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