Nur nicht in die Rosen kotzen!

»Endlich 14«, schreibt die Nichte in die WhatsApp-Gruppe, mit einem Champagner-Sticker und einem Party-Smiley versehen. Die Verwandtschaft reagiert prompt und überschäumend – mit knallenden Sektflaschen, Cocktailschwenkern und Suffaugen-Smiley.

Als Vierzehnjährige ist man keinen Schritt näher am Erwachsensein, aber sehr nah am ersten Alkrausch, wenn die Eltern nichts dagegen haben. Endlich darf die kleine Celine Joly, unter den wachsamen Blicken der Eltern, völlig legal an der echten Lebensfreude teilhaben. Das muss gefeiert werden. Ich kaufe eine schöne Flasche Aldi-Champagner und freue mich auf die Geburtstagsgrillparty mit der kleinen Anfängersäuferin. Hier im idyllischen Oderbruch trinkt es sich besonders gut, erklärt mir der Vater der Jubilarin gleich am Gartentor. Natürlich hat er schon einen sitzen und das Nackensteak auf dem Grill duftet nach Bierdusche. »Hier ist man nicht so zimperlich. Wer nichts verträgt, kann ja nach Berlin ziehen.«

Guido Sieber

Der Neffe, also Celine Jolys älterer Bruder, ist gerade dabei, einige liebevolle Worte an das Geburtstagskind zu richten, als ich ins Partyzelt schleiche. »Du und ich, das ist wie Bier und Korn, wir gehören zusammen, aber sind trotzdem verschieden. Erhebt eure Gläser auf die süßeste Kornblume im Landkreis!«

Celine Joly lässt es langsam angehen. Eine Weinschorle mit leckeren Tiefkühl-Erdbeeren hat ihr die Mama gemixt. Das schmecke fast wie das Fruchteis im Italienurlaub, erinnert sich Celine. Das war schön, da war alles inklusive, auch die Drinks, schade, dass sie da noch dreizehn war und den Eltern nur beim Saufen zuschauen durfte. Doch jetzt ist Schluss mit dem Außenseiterdasein.

»Ach, sie ist so schnell groß geworden«, seufzt die Mama glücklich. Das war doch erst gestern, dass sich Mutti morgens heimlich den Piccolo in den Kaffeebecher umfüllen musste, wenn sie die Tochter zur Schule fuhr. Damals hatte Celine Joly ja noch keine Ahnung vom Kontertrinken gegen den Kater. Aber nun wird sie alles Schritt für Schritt lernen, hier im sicheren Kreis der Familie.

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Die Oma ist schon wieder in Anstoßlaune und befüllt die Gläser mit meinem Champagner. »Das ist was Feines, koste mal!«

Celine Joly ist nicht so begeistert und bleibt lieber bei Früchteweißweinschorle. »Am Anfang schmeckt das alles nicht«, erinnert sich die Mama, »über diese Phase musst du erst mal wegkommen, nur nicht aufgeben!« Ihr erster Schnaps zur Jugendweihe, den werde sie nie vergessen, widerlich! Heute kippt sie gern mal ein paar Kurze zwischendurch, das ist gut für den Kreislauf.

»Na, dreht’s schon?«, will ein fröhlicher Partygast wissen. Celine Joly setzt sich vorsichtshalber in die Hollywoodschaukel.

»Wie eine Prinzessin sieht sie aus«, findet der stolze Papa. »Und so gelöst und glücklich mit eleganter Blässe um die Nase.« Dann ruft er der Elevin zu: »Süße, wenn du kotzen musst, bitte nicht in die Rosen. Das mag die Mama nicht, da verfällt sie gleich wieder ins Frustsaufen.«

Dann setzt er zur Feier des Tages zu einer kleinen Initiationsrede an: »Das will uns der Lauterbach also auch noch nehmen. Rauchen dürfen wir nicht mehr, unsere Kinder dürfen wir nicht schlagen, obwohl es manchmal nötig ist … und nun soll auch noch das elternbegleitete Trinken ab vierzehn verboten werden. Aber kiffen, das ist erlaubt! Und ukrainische Lieder singen natürlich auch. Da sieht man mal wieder, dass die da oben keinen Respekt vor unserer Kultur haben …« Die Oma wischt sich ein Tränchen weg und stellt den Selbstgebrannten auf den Tisch.

»Ende der Diskussion!«, ruft der Papa, obwohl ihm gar keiner widersprochen hat. »Eine Jugendweihe ohne Suff ist wie Radfahren ohne Reifen, wie ein Sommer ohne Sonne. Und prost!«

Die Gläser klingen. Die Diskussion beginnt dennoch. Soll man die Kinder etwa alleine trinken lassen? Das wäre doch fahrlässig.

Leise schlage ich vor, die Jugendlichen überhaupt nicht trinken zu lassen. Alles verstummt. »Das ist diese Tante aus Berlin«, flüstert die Mama einer Nachbarin zu. Ich nehme einen kräftigen Schluck aus meiner Bierflasche und lächle verlegen, als hätte ich einen Spaß gemacht. Dann lachen alle. Nur Celine Joly nicht. Die ist neben mir auf der Hollywoodschaukel eingeschlafen. Ich ziehe ihr vorsichtig die Zunge aus dem Mund, damit sie nicht an ihrer Kotze erstickt. »Das kleine Trinker-ABC kann man gar nicht früh genug lernen«, gebe ich zu – und probiere mal den Selbstgebrannten.

FELICE VON SENKBEIL

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