Einfach nur f…

FERNSEHEN

Modern, schnell, divers und provakant – typisch ARD … Natürlich nicht. Die neue Polit-Dramedy-Serie »Wo wir sind, ist oben« war eigentlich eine Sky-Produktion. Der Streamer wollte das fertige Meisterwerk dann doch nicht haben. Nun können sich durchschnittliche Fernsehgebührenzahler an dem Scharmützel zweier Lobbyisten im fiktiven politischen Berlin erfreuen.

Tatsächlich treiben sich rund 29 000 Lobbyisten allein in Brüssel herum. In Berlin kommen auf jeden Abgeordneten über 40 von diesen Stimmungsmachern. Das ist doch eine Serie wert. Was treiben diese Leute so? Wie werden Politiker, Journalisten und natürlich die Wähler manipuliert? Den Blick hinter die Kulissen also, dort wo Intrigen und Verschwörungen lauern und sich moralische Abgründe auftun, verspricht »Wo wir sind, ist oben«.

Johann Mayr

Max Lentor (Helgi Schmid), ein Strahlemann, der eigentlich ein Landei ist, ein Alkoholproblem hat und sich nach Liebe sehnt, ist ein skrupelloser Karrierist. Im Fahrstuhl nach oben trifft er auf die ebenfalls sehr attraktive und beziehungsgestörte Egomanin Valerie Hazard (Nilam Farooq). Sie ist die Top-Frau aus Brüssel, die alles gewinnt, was es zu gewinnen gibt. Die beiden arbeiten für konkurrierende Berateragenturen und beginnen einen kindischen Kleinkrieg um Einfluss und Macht. Natürlich würden sie gern miteinander schlafen, und das wäre auch hübsch anzusehen. … Aber es wäre zu einfach.

Mit einem Ferkel im Arm verlässt Max im Vorspann das Kanzleramt und feiert seinen Erfolg – Kastration nur mit Betäubung – in seiner Dachgeschosswohnung. »Meine Quelle im Kanzleramt hat gesagt, du hättest da so richtig die Sau rausgelassen. Ist das nicht selbst für dich ein bisschen …« Damit ist klar, der Max hat’s drauf (benutzt sogar Tierbabys für seine Zwecke), und in dieser Serie wird alles geboten, was an platten Wortwitzen und peinlichen Erklärdialogen möglich ist: »Wie sind Sie an die Fragen gelangt?«, will die ahnungslose Gesundheitsministerin wissen. »Es ist ein Geben und Nehmen. Geben ist seliger als Nehmen, das kennen Sie ja, aber ohne den Nehmer kann der Geber ja gar nicht seliger sein.« »Es geht also um Win-win …«

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Leider nicht für den Zuschauer. Der fragt sich nach der ersten Folge: Muss ich mir das reinziehen? Und warum haben die schon wieder meine Gebühren für Mist ausgegeben? Es ist eine Qual, den schnell dahingestotterten, irgendwie ironisch gemeinten Dialogen zu folgen. Jeder will witzig sein, keiner ist lustig.

Der Held ist natürlich gar nicht so ein Riesenarschloch, wie es scheint. Seine geheimnisvolle Vergangenheit bereitet seiner Konkurrentin, der aus Brüssel, Kopfzerbrechen. Ist er ein Priesterkind, Diplomatensohn, Waise oder hat er die Eltern bei einem Gewaltverbrechen verloren und wurde vom Dienstpersonal großgezogen, so wie Batman?

Wer Max wirklich ist, will man eigentlich nicht wissen. Seine Kampagnen und Strategien könnten jedoch schon interessant sein, wären sie intelligent.

Was läuft da hinter den vergilbten Jalousien im Kanzleramt? Werden wir verarscht? Stimmen sich alle ab? Wird Meinung in sozialen Medien gesteuert? Werden Talkshows gelenkt und Fragen besprochen? Spielen Politiker etwa auch in der Wirtschaft mit?

Natürlich! Natürlich wird nichts dem Zufall überlassen, und natürlich werden Entscheidungen von Interessengruppen beeinflusst. Und es wäre investigativer, mutiger und vor allem zeitgemäßer Stoff für eine Serie. Diese Serie schrammt an all dem, was spanendend wäre, vorbei und kümmert sich um Hormone im Grundwasser, Roboter in der Altenpflege oder die Abbaggerung eines vergessenen Braunkohle-Dorfes. Da muss man sich nicht mit Bürgergeldkürzungen, Islamisten, Kindergrundsicherung und Waffenlieferungen die Laune verderben.

Die eigentlichen Deals finden in einem Promilokal statt. Eine Grand Dame der Strippenzieherei im politischen Berlin, Herta »Z« Zickler (Ulrike Kriener), die Mentorin von Max, hängt dort rum und macht große Ohren. Leider spricht sie auch. Sätze wie in einer Nullerjahre-Telenovela: »Da ist ein new kid in town, tough cookie … was man so hört« oder: »Moral in der Politik kommt eben erst mit Vollbeschäftigung!«

Die Geschichte von einem Holger ohne Hoden zeigt, wie sich Politiker mit empathischen Geschichten, die sich ein Max ausdenkt, Gehör verschaffen. Auf den Eierwitzen wird ewig rumgekaut und die Hormone im Grundwasser lassen sich einfach nicht wegzaubern. »Ich hätte nie gedacht, dass es so schwer ist, das Richtige zu tun«, stellt die Gesundheitsministerin fest. »Wir müssen es als richtig verkaufen, darum bin ich an Ihrer Seite«, beruhigt sie Max.

Abgeordnete sind in dieser Serie bedürftige Loser, käuflich und lächerlich, die ebenfalls keine Eier und einige Leichen im Keller haben. Ständig werden braune Umschläge rumgeschoben und verschwörerische Blicke getauscht. Nach getaner Drecksarbeit cruisen Max und Valerie auf ihren E-Scootern zu Neunziger-Spaßmusik durchs Regierungsviertel und wollen doch eigentlich nur f…

FELICE VON SENKBEIL

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