Liebe Stubenhockerinnen, liebe Stubenhocker,
darf man mit dem Virus Geld verdienen? – Diese moralisch hoch brisante Frage stellen sich aktuell die Hersteller von Beatmungsgeräten und Schutzkleidung. Dabei ist die Antwort offensichtlich: Diese Krisengewinnler wälzen die Verantwortung auf den Markt ab und verwenden die gestiegene Nachfrage als Ausrede dafür, sich am Leid anderer zu bereichern. Widerlich!
Wie diese Menschen ruhig schlafen können, ist mir ein Rätsel. Bei uns Medienmachern dagegen ist die Sache eindeutig: Als vierte Gewalt im Staat sind wir moralisch dazu verpflichtet, die Öffentlichkeit stündlich mit den neuesten Infiziertenzahlen und Todeslisten zu versorgen. In Zeiten des Mangels an Sportübertragungen müssen wir den Hunger nach Tabellen stillen. Als Ersatz für die Bundesliga hat sich vorläufig das Landkreis-Ranking etabliert. Wie abzusehen, konnten sich hier nach einigen Anlaufschwierigkeiten die großen Millionenstädte an der Spitze festsetzen, doch sympathische Underdogs wie Heinsberg haben den Anschluss noch nicht verloren. Noch interessanter gestaltet sich das internationale Kräftemessen. Dabei ergibt sich ein erfreuliches und schubladentaugliches Bild: Der Südkoreaner ist diszipliniert, die Zahlen aus Russland sind falsch, der Schwede ist zu liberal, der Italiener ist überfordert, der Ami ist dumm, und Boris Johnson hat bekommen, was er verdient, weil er zu wenig und zu spät irgendwas gemacht hat. Wir Deutschen dagegen sind hervorragend aufgestellt, machen alles richtig und können uns Hoffnung auf den Weltmeistertitel machen. Wie wir Journalisten sagen: Es bleibt spannend.
Bei aller Euphorie ob der deutschen Überlegenheit: In Telefonaten mit Freunden, Verwandten und Leuten, die sich verwählt haben, sind immer wieder auch kritische Untertöne zu vernehmen. Eine Folge der Tatsache, dass wir alle nach Wochen der Sondersendungen und Info-Artikel ausgebildete Virologen sind. Wir kennen die Unterschiede zwischen Phospho- und Glykoproteinen, können ohne nachzudenken »Desoxyribonukleinsäure« buchstabieren und wissen alles über Endozytose, Aviditätsreifung und den Dunning-Kruger-Effekt. Hinzu kommt, dass sich die sogenannten Experten oft selbst nicht einig sind. Ein Beweis dafür, dass Wissenschaft eben auch nur Glaubenssache ist. Deswegen müssen wir weiterhin kritisch und im Nachhinein die von denen da oben getroffenen Entscheidungen hinterfragen und den zwanzig Sekunden lang mit Seife gewaschenen Finger in die Wunde legen. Selber denken ist das Gebot der Stunde! Deshalb möchte ich Ihnen mein persönliches Geheimnis nicht vorenthalten, wieso ich noch nicht erkrankt bin, obwohl ich an meinen täglichen Besuchen im Saunaclub festhalte: Morgens mit Eigenurin gurgeln, mittags einen Ingwershot und ab frühem Nachmittag stündlich eine Nase voll Kokain! Auf Schleimhäuten, die weggeätzt sind, kann sich kein Virus mehr niederlassen.
Und denken Sie bitte immer daran: Wir dürfen uns in unserer Freiheit nicht einschränken lassen, sonst hat das Virus gewonnen!
Mit viralen Grüßen
Gregor Füller
Chefredakteur
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