»Da ist Vielfalt Trumpf«

Vize-Kanzler Olaf Scholz hat vorgeschlagen, Vereinen, die ausschließlich Männer aufnehmen, den Status der Gemeinnützigkeit zu entziehen. Was wohl die betroffenen Vereine davon halten?

Herr Schwengel, Sie sind Vorstand des »Vereins fröhlicher älterer Männer Bad Orb« und haben sich über die Pläne des Vize-Kanzlers mächtig aufgeregt. Was ist denn los?
Das geht einfach nicht, was sich die Herrschaften da in Berlin wieder ausdenken. Gleichberechtigung schön und gut, aber wir hatten schon immer keine Frauen bei uns im Verein. Das haben wir schon immer so gemacht. Basta.

»Das haben wir schon immer so gemacht«, ist doch aber kein Argument.
Nein, aber Brauchtum. Und entweder ich will Brauchtum fördern, und also das, was schon immer so gemacht wurde, oder ich will es abschaffen. Dann soll der Scholz es aber auch bitteschön so sagen. Das ist nämlich mal wieder ein klassischer Angriff auf die Freiheit der Bürger. Wo bleibt denn da das von der Verfassung garantierte Grundrecht auf Steuervergünstigungen? Da braucht man ja sonst gar keinen Verein mehr zu gründen.

Der Verein wurde doch aber sicher nicht wegen der Steuervergünstigungen und der Aussicht auf Spendenquittungen gegründet oder?
Das hätten Sie jetzt wohl gern, dass ich auf diese Fangfrage reinfalle. Nein, nein, der Verein fröhlicher älterer Männer Bad Orb wurde bereits anno 1998 von meinem Vater Lothar Schwengel und seinen Nachbarn Gerhard Sack und Peter Prostata gegründet. Die Idee dahinter ist sogar noch älter. Sie geht auf einen Brauch aus den 70er-Jahren zurück. Damals gründeten einige Frauen den »Klöppelund Strick-Club« – typisch Hippie-Zeit eben. In den Club wollten die Männer nicht rein, und deshalb haben sie sich, während ihre Frauen im Club waren, aus Trotz immer beim Hoden-Willi in der Scheune getroffen.

Aber davon hat doch die Allgemeinheit nichts.
Das ist altes Brauchtum! Jetzt hören Sie mir doch erst mal zu. Die Scheune nämlich ist 1997 abgebrannt. War nicht schlimm, die Versicherung hat gezahlt und der Willi konnte endlich die Eigentumswohnungen bauen. Die Männer aber hatten während der Strick-Club-Abende ihre Heimstatt verloren und nichts weiter zu tun. Die Kinder waren aus dem Haus, im Fernsehen lief damals schon ausschließlich Mist, und Sport kommt ja ab Mitte 40 auch nicht mehr in Frage. Also liefen die Männer angetrunken und marodierend durch die Innenstadt. Das ging so weit, dass manche sogar im Kurparkweiher geangelt haben. Ohne Genehmigung! Da war klar: Wir brauchen zum Schutz der Allgemeinheit wieder einen Treffpunkt für die älteren fröhlichen Männer. Aber wenn der Herr Scholz unbedingt möchte, dass die Goldfische im Weiher wieder um ihr Leben fürchten müssen, bitte!

Womit beschäftigen Sie sich denn hier im Vereinsheim?
Da ist Vielfalt Trumpf. Das reicht von Show-Veranstaltungen für Nasen- und Ohrenhaarschneider bis zu John-Wayne-Ähnlichkeitswettbewerben. Oder gestern: Da hatte der Roland Gemächt seine Vernissage mit der größten Nabelflusensammlung im Nord-Spessart. Da im Nebenraum sehen Sie die beleuchteten Vitrinen. Nächste Woche findet die monatliche Rülpsmeisterschaft statt. Usw. usw. Kultur für Männer eben.

Das sind aber Tätigkeiten, die durchaus auch von Frauen betrieben werden könnten. Wie begründen Sie, dass Frauen trotzdem in Ihrem Verein nicht Mitglied werden dürfen?
Das fängt schon beim Vereinsnamen an. Den müssten wir ändern. Das ist ein bürokratischer Aufwand der Sonderklasse. Im Namen ist ja explizit von »Männern« die Rede. Wir sind schon bei der Auslegung von »ältere« sehr großzügig. Der Thomas Puller zum Beispiel ist Mitte 30, der sieht aber aus wie Ende 50: Resthaare über die Glatze gekämmt, Bierbauch, Buckel, enorme Augenringe, Nasenhaare, die nahtlos in den Schnauzbart übergehen, eine fahle, runzelige Haut wie von so einem Nacktmull, Kleidungsstil aus den 90ern … Da drüben hängt ein Foto von ihm.

O Gott!
Ja, armer Kerl. Deswegen haben wir bei »ältere« mal eine Ausnahme gemacht. Wo wir aber streng sind: Wer nicht fröhlich ist, fliegt raus, da kennen wir kein Pardon. Wenn der Scholz uns jetzt auch noch zwingen will, Frauen aufzunehmen, seh ich schwarz für unser traditionelles Erbe.

CARLO DIPPOLD

Aus dem EULENSPIEGEL 12/2019

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