Leben und Tod …
berlin intim
von unserem Hauptstadt-Korrespondeten Atze Svoboda
… liegen manchmal sehr dicht beieinander. Das wird mir immer wieder bewusst, wenn ich in die leeren Augen unserer Kanzlerin blicke. Augen, von denen ich weiß, dass sie dem Schnitter ins unbarmherzige Angesicht blickten.
Ich war im Journalistentross dabei, als an jenem Schicksalstag die Kanzlerinnenmaschine über der Nordsee umdrehen musste, die uns alle eigentlich zum G20-Gipfel nach Buenos Aires hätte fliegen sollen. Ich habe Szenen gesehen, die ich mein Leben lang nicht vergessen werde.
Die Zeilen hier würden nicht genügen, dieses Ereignis in seiner Dramatik gänzlich zu schildern: die Tränen, das Liebesgeständnis eines Regierungssprechers an seine Chefin in der Gewissheit des sicheren Todes und die lieblosen Schnittchen, die der Bordservice der Luftwaffe reichte und die beinahe meine letzte enttäuschende Mahlzeit auf Erden gewesen wären. Unerwähnt soll auch das sicherlich im Affekt ausgesprochene Todesurteil für Ursula von der Leyen bleiben, die für die Flugbereitschaft verantwortlich zeichnet. Ich hänge nicht am Leben. Aber in diesem Moment tat es mir um all die guten Artikel leid, die Sie um ein Haar nicht mehr hätten lesen können.
Man wird milde, wenn man mit jemandem so etwas Schreckliches durchgemacht hat. Die Bilder von Olaf Scholz mit eingenässter Hose habe ich wieder von meinem Handy gelöscht. Nach all dem, was ich gesehen habe, nach dieser einschneidenden gemeinsamen Erfahrung, habe ich Angela Merkel auch verziehen, dass sie mich nicht auf den Ersatzflug einer Linienmaschine mitnahm.
Ich würde sogar so weit gehen zu sagen, dass ich froh bin, dass die Kanzlerin ihren Rückzug aus der Politik bereits angekündigt hat. Nach allem, was ich mit ihr erlebte, könnte ich nie wieder ein schlechtes Wort über sie verlieren. Gut, das habe ich auch vorher nie getan, aber das hatte ganz andere Gründe …