Land of hope and Austritt

Nicht, dass es keine guten Gründe gäbe, Großbritannien aus der EU zu schmeißen. Bei Licht besehen, gibt es sogar genug Gründe, um das Land nach einer möglichen Rückkehr in die EU gleich noch einmal rauszuwerfen. Immer wieder, wenn es sein muss. Aber muss es nicht, denn die Briten treten selber aus. Ein Ereignis, das noch Fragen aufwirft wie zum Beispiel diese:


Kann der Brexit noch abgewendet werden?
Zum einen will das niemand ernsthaft, zum anderen war die Abstimmung ein Ergebnis der unabänderlichen britischen Mentalität, nämlich eine Folge des berühmten schwarzen Humors. Denn wenn die Briten etwas können, dann ist es Ironie. Und weil sie ein gewisses Talent für Verwechslungen haben – man betrachte nur den Linksverkehr, der eine Folge dessen ist, dass sie bei Rover und Austin in den Anfangsjahren des Automobils das Lenkrad versehentlich auf der falschen Seite eingeklebt hatten. Weil es der britische Stolz verbietet, Fehler zuzugeben, blieb es dabei, bis heute. Und darum bleibt es auch beim Brexit. Wieso waren die Verhandlungen so schwierig? Es fühlte sich für die Briten nie so an, als wären sie Mitglied der EU; eher war die EU Teil des British Empire. Wenn also jemand hätte austreten können, dann die EU. Vor diesem Hintergrund fanden die Verhandlungen statt. Der Austrittsvertrag liest sich daher auch eher wie ein Stillhalteabkommen, gemischt mit ein bisschen »Der kleine Lord« und »Britannia rule the waves «. Im Grunde soll erst einmal alles bleiben, wie es ist, und später ändert sich vielleicht mal was.

Wie läuft der Austritt technisch gesehen?
Viele Fragen auf diesem Gebiet sind noch nicht mal im Ansatz gelöst, insbesondere die nach dem Wohin: Wohin mit den Britischen Inseln, das heißt, wie schleppt man sie aus Europa hinaus und wo schleppt man sie hin? Ins Nordmeer oder doch besser in Richtung Pazifik? Ließen sie sich eventuell, wie eine ausgediente Ölplattform, einfach versenken? Dann hätte man von den Klippen der Normandie endlich einen freien Blick übers Meer bis nach Island, auf Ponys und Geysire! Und den Kontinentaleuropäern ginge nichts verloren. Mag jemand Porridge? Schaumloses Labberbier? Fish and Chips? »Last Christmas« oder BSE?

Wer darf noch einreisen?
Niemand. Es gibt auch nicht mehr viele, die das wollen. Den britischen Alltag unterscheidet nämlich schon seit Langem nicht mehr viel von dem eines Dritte-Welt-Landes. Nur noch ein paar kleine Nachjustierungen sind nötig, und die öffentliche Infrastruktur, der Nahverkehr, das Gesundheitssystem und die Arbeitnehmerrechte können sich mit jeder afrikanischen oder südamerikanischen Region messen. Außerdem soll der britische Genpool so überschaubar bleiben, wie er ist.

Wieso hat die EU dem Austritt nicht bedingungslos zugestimmt?
Die EU ohne Großbritannien, das schien vielen wie Shake ohne speare, wie Spice ohne girls, wie Karneval ohne Prinz Harry im Nazi-Kostüm. Man wollte die Briten unbedingt dabei haben wie Reizgas bei einem Treffen mit Wayne Rooney. Dabei sind die letzten vernünftigen Ideen, die aus England kamen, schon eine Weile her: die Dampfmaschine, der Fußballsport und die Bombardierung Dresdens. Die weltumspannende Dankbarkeit dafür hat spürbar nachgelassen. Es wäre an der Zeit, dass auf der Insel mal wieder etwas ausgeheckt wird, das interessanter ist als Bitter-Orangen-Marmelade, das Tragen weißer Tennissocken zu braunen Sandalen und die auf Dauer nur mäßig unterhaltsame Idee, dass die Queen erst abtritt, wenn ihr Sohn älter ist als sie.

Hält die Wirtschaft die Trennung aus?
Das interessiert doch niemanden. Viel wichtiger: In sportlicher Hinsicht haben die Briten die Loslösung von Europa und dem Rest der Welt längst vollzogen. Abgesehen von der Premier League, ein wegen des besseren Rasens nach England outgesourctes Freizeitvergnügen russischer Oligarchen und arabischer Ölscheichs, gehen sie im Grunde nur noch endemischen Sportarten nach. Diese sind einzig auf der Insel heimisch, und die Sieger zwangsläufig Briten: Rugby, Cricket und Theresa Mays Robotertanz-Ambitionen.

Lässt die EU die Briten einfach so ziehen?
Natürlich versuchte man in Brüssel alles, um dies zu verhindern. Naja, zumindest das ein oder andere. Was die wenigstens wissen: Die EU-Kommission hat sogar vorsichtig beim russischen Multimilliardär Roman Abramowitsch angefragt, ob er das Vereinigte Königreich nicht kaufen möchte, vielleicht als Geburtstagsgeschenk für die Gattin, die es dann der EU per Leasingvertrag überlassen könnte. Doch über seine Unterhändler ließ Abramowitsch ausrichten, er schenke seiner Frau nur Sachen, über die sie sich auch wirklich freut.

Das war’s dann also?
Ja, wenn nicht noch mal abgestimmt wird. Dann wird es nicht mehr zu verhindern sein: Die Briten bleiben zukünftig unter sich. Und darum sind sie nicht zu beneiden.

Robert Niemann