»Kinder und Tiere gehen immer!«

Das ist einer dieser fiesen Sprüche unseres Chefs, die er über den Flur brüllt, wenn uns Schreibsklaven kein Thema einfällt. Den Spruch hat er vom alten Augstein, Rudolf, als die beiden zusammen im Nachkriegshamburg den Spiegel gründeten. Aber als ich neulich das brandheiße Thema »Hunde statt Kinder« in den Kreis der Ressortleiter schmiss, dachte er, ich will ihn verarschen und sperrte mich für eine Woche vom Kaffeeautomaten aus.

Das Thema verdanke ich einer ungarischen Forscherin – im Live-Chat nennt sie sich »Enikö«. Das Gespräch verlief ein bisschen turbulent, weil eine violette Hundezunge immer wieder über Enikös Handykamera leckte. Wenn ich Enikö recht verstanden habe – Ungarisch ist fast so schwer wie Finnisch – hat sie mit einem ranierten KI-Modell berechnet, dass im Westeuropa eines nahen Jahres praktisch nur noch Hunde geboren werden, die dann – wie oft heute schon – nicht Bello oder Blondi, sondern Gregor oder Angela genannt werden. Enikö weiß auch, warum das so kommen wird: Weil die Entbindung eines Kindes viel aufwendiger ist als die eines Hundes. Und mit vielen Unwägbarkeiten verbunden. Das geht schon im sogenannten Wochenbett los – da stehen die Großeltern, Tanten und Onkel drumherum (manchmal auch der Vater) und denken: »Mein Gott, was soll denn aus dem Ding mal werden – nach Bachelor sieht es jedenfalls nicht aus.« Bei einem Welpen fragt das keiner.

Joshua Aaron

Die Entwicklung verläuft schleichend, meint die Wissenschaftlerin. Sozusagen auf vier Pfoten rückt der Hund in den Mittelpunkt der europäischen Kernfamilie: Lebt in einer liebevollen Paarbeziehung ein Hund auf der Mittelritze des Doppelbettes, versiegt ein eventuell latenter Kinderwunsch innerhalb von Wochen. Zunehmend schaffen sich frisch Verliebte sogar als Form der Verhütung einen Hund an, was die ewige Diskussion über Schwangerschaftsabbruch gegenstandslos macht. Nur selten wächst bei hundebesitzenden Paaren auch der Wunsch nach einem Kind – und dann nur, wenn es garantiert aus einem zertifizierten Wurf stammt.

Das wirft natürlich ethische Fragen auf: Kann man einem Säugling zumuten, in eine Familie hineinzuwachsen, in der ein Rüde, der nur feinstes Bio-Fleisch verzehrt, das Sagen hat? Für ihre Landsleute stellt Frau Enikö fest: »Fast 90 Prozent der erwachsenen Ungarn verbringen nicht einmal eine Stunde pro Woche (!) mit der Betreuung von Kleinkindern.

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Hunde füllen diese Lücke, geben das Gefühl, gebraucht zu werden.« (Nachzulesen auf dem Online-Blog Telepolis.de.)

Da ist der Ethikrat des Bundestages schon am Grübeln. Denn auch ohne die ungarische Expertise ist ihm aufgefallen, dass hierzulande die Zahl der Hunde von 10,5 Millionen (das sind nur die registrierten, nicht die Köter auf dem Lande!) die Zahl der Kinder unter 14 Jahren (10,9 Millionen) bis zum erfolgreichen Abschluss der Koalitionsverhandlungen überstiegen haben wird. Und noch ein paar Jahre hin, dann werden wir die Soldaten für den versprochenen Krieg in den Tierheimen rekrutieren müssen (1 Wurf = 5 bis 6 Wehrpflichtige). Dann beanspruchen Hunde – wie heute die Ossis – Abgeordnetensitze und Ministersessel entsprechend ihres Anteils an der Bevölkerung. Und mit seiner Prostata wird kein Mann mehr einen Termin beim Tierarzt kriegen.

Der Papst wehrt sich mit Händen und Füßen (er spricht nur noch wenig) gegen diese Entwicklung, hat aber auf dem Gebiet selber zeitlebens versagt. Nichtchristliche Völker erreicht er ohnehin nicht. Japan z.B. ist eines der welpenreichsten Länder des Planeten. Dort bilden sich Schlangen von künftigen Eltern vor den Hundezwingern. Sie dürfen bei der Geburt Videos machen und nach einigen Wochen ihr »Kind« mit nach Hause nehmen. Schwangerschaftsstreifen kennt die Japanerin nicht.

Dann werden die süßen Dinger in Kinderwagen und auf elektrischen Rollern spazieren gefahren, in klimatisierten Rucksäckchen getragen, auf Karussells gesetzt, ins Kino geschleppt, als Nero, Beethoven oder Donald Trump verkleidet, dürfen in der Gaststätte mit am Tisch sitzen, ein Lätzchen um den Hals gebunden, in den Badeanstalten schwimmen und auf geblümte seidene Servietten scheißen.

Vereinzelt soll es in Japan auch noch Kinder geben. Die dürfen aber nur mit auf die Hundefeste, wenn ihr tierisches Geschwisterkind zustimmt. Und das Schönste: Seit Kurzem berichten japanische Medien begeistert, dass Japanerinnen, sobald sie ihren Welpen anlegen, die Milch einschießt …

Um dieses Volk braucht uns also und auch dem Papst nicht bange zu sein. Denn Hunde befolgen seit je das christliche Gebot: Seid fruchtbar und mehret euch!

MATTI FRIEDRICH

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