Irgendwie lustig

FERNSEHEN

Es beginnt mit einem Schrei. Anja Reschke steht unter der Dusche, hitchcockmäßig zieht ein Psychopath den Duschvorhang beiseite und – Überraschung – kein Messer, sondern ein Blumenstrauß fliegt ihr entgegen. Alles Gute zum Frauentag! Willkommen bei Reschke Fernsehen, der satirischen Politshow im Ersten.

Reschke Fernsehen ist wie Magazin Royale mit Jan Böhmermann, nur weiblicher und billiger. Die ARD war viel mutiger als das ZDF; mit einer Frau über 50, mit ernsthaft journalistischem Background und nicht besonders großen Brüsten. Dagegen ist der Böhmermann nur ein Pappaufsteller, der Blödsinn quatscht. Die Reschke traut sich ganz allein ins Studio und präsentiert ihre satirische Sicht der Dinge. Kein wohlwollendes Publikum und keine Gute-Laune-Band braucht sie dazu. Nur Anja Reschke in schickem Hosenanzug und verschmitztem Lächeln.

Michael Holtschulte

Wahrscheinlich hatte Reschke beim ARD-Sommerfest ein paar gute Witze unter Einfluss der Rieslingbowle erzählt, und der Senderchef fand, die lassen wir doch mal was Spaßiges machen. Allerdings mit Niveau und gut recherchiert. Einer Frau nimmt man auch nicht so viel übel, die wird hoffentlich nicht ständig verklagt, und hübsch anzuschauen ist sie ja auch. Mit dem seriösen Politmagazin Panorama (ohne Satire) hat Frau Reschke dazu noch einen sauberen Ruf und einen Job, in den sie zurückkehren kann, wenn dem Sender eine humorvolle Frau zu viel wird. Sie, als Frau, weiß jedoch genau, wo die Spaßgrenze verläuft. Das wissen Frauen immer, weil’s sonst schnell mal auf die Fresse gibt. Frau Reschke darf ungestraft Frauenthemen anpacken, als Expertin sozusagen, die anderen zu schmutzig sind.

»Liebespaar oder Lebensgefahr – Wie Gewalt Frauen bedroht« ist der vielversprechende Titel dieser Sendung. Da müssen doch Lacher versteckt sein. Weiber übers Knie zu legen und mal richtig durchzubimsen ist doch witzig. Mit Augenzwinkern und niedlichen Slapstickeinlagen beginnt die Reschke harmlos. Die satirische Zusammenfassung der Gleichstellungserrungenschaften für Frauen: »Frauen dürfen wählen, können Führer sein und sollen aufhören zu jammen oder zu Hause bleiben. Aber da ist es gefährlich.« Eine elegante Überleitung zum eigentlichen Thema: Femizide. Um nicht gleich die zartbesaiteten Zuschauerinnen zu verlieren, wird pietätvoll eine Kerze angezündet. Es soll ja auch irgendwie schön bleiben.

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Anja Reschke liest die Straftaten gegen Frauen eines einzigen Tages vor, und schafft es immer noch ein bisschen zu schmunzeln. Das ist ja das Konzept der Sendung, was will man da machen. Schon der Trailer, in dem Reschke sich mit einem »Tatort«-Kommissar über eine Frauenleiche beugt, und verzweifelt alles andere als einen Femizid vermutet, ist so eine witzige Idee. Das ist so überzogen und verrückt, dass muss ja spaßig sein.

Die Macher der Sendung wissen: Nur tote Frauen, das lockt niemanden am Donnerstagabend zur ARD. Dafür werden lustige Einspieler eines Comedians gezeigt, der ein Sohn von Mario Barth und Hannelore Kohl sein könnte. »Schon mal aufgefallen, das Wort ›eng‹ ist nur im Kontext Frau ein positives Wort«, sagt er. »Frauenfeindlicher Humor fördert Frauenverachtung und kann zu Gewalt gegen Frauen führen«, kommentiert das die Reschke-Redaktion und zieht die Spaßgrenze.

Nun greift die Reschke, um es heiter zu halten oder ihre heimlichen Lacher zu kaschieren, wieder zum Blumenstrauß. »Der war im Angebot mit Schokolade und Vase, toll ne?« Aber was ist denn nun mit den ermordeten Frauen, fragen sich interessierte Zuschauer vielleicht. Und da greift eine geniale Idee der Fernsehmacher. Die Show in der Show. Das TV-Publikum wird mit ins Studio geholt. Die Regie kommentiert Frau Reschkes Moderation und darf dabei klassisch frauenfeindlich sein. »Anja, das findet ja nun wirklich keiner komisch, die vielen Frauenmorde, kannst du das mal lustiger sagen?«

Anja Reschke verliest also noch einmal die Gräueltaten, diesmal mit dramatischer Musik und gefalteten Händen. Nun ist die Regie schuld, wenn die Spaßgrenze übertreten wurde. Für Entspannungslacher sorgen dann wieder Einspieler, zum Beispiel ein schweigender »Tagesschau«-Sprecher ohne Text. Das ist doch genau wie das Schweigen in der Gesellschaft zu den Morden. Ein genialer Einfall, der so richtig nachdenklich macht.

In der Sendung kommt eine Justizexpertin zu Wort, die berichtet, wie verständnisvoll vor Gericht mit Frauenmördern umgegangen wird, wie Frauen eine Mitschuld angehangen wird. Es werden Bundestagsdebatten gezeigt, die beweisen, wie gering das Interesse der Politik ist, die Situation zu ändern. Das ist skandalös und urkomisch, wie die sich so abmühen. Die Investigativ-Show setzt noch einen drauf: Auf jedem vierten Sofa hinter den Bildschirmen sitzt ein Täter. Nun wird ein Zuschauerpärchen im Wohnzimmer gezeigt, das sicher gleich die Besenstange rausholt. Aber so lustig wird es dann doch nicht.

Am Ende der Sendung widmet Anja Reschke den billigen Blumenstrauß denen, deren Namen auf einer Gedenktafel im Hintergrund durchlaufen. Keine Sorge, das Studiolicht erlischt, ehe die Stimmung unangenehm dramatisch zu werden droht.

Nur Anja Reschke bleibt stehen, bis alle 360 getöteten Frauen und Mädchen des letzten Jahres durchgelaufen sind. Die muss ja, als Frau.

FELICE VON SENKBEIL

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