Arbeiten, wo andere wählen

Von MICHAEL KAISER

Wer träumt nicht davon, einmal in seinem Leben als Wahlhelfer unserer Demokratie zu dienen? Deshalb haben auch Sie sicherlich Tag für Tag aufgeregt in Ihrem Briefkasten nachgeschaut, ob Sie Post vom Wahlamt bekommen haben und in einen Wahlvorstand berufen wurden. Doch natürlich lastet auf den wenigen Auserwählten, die von Forsa, der griechischen Göttin der Demokratie, geküsst wurden, gleichzeitig auch eine enorme Verantwortung. Damit Sie auch nur den Hauch einer Ahnung haben, was auf Sie als Wahlhelfer zukommen kann, haben wir hier die häufigsten Fragen beantwortet.

1. Wähler sind bei der Stimmabgabe oft hackedicht. Muss ich als Wahlhelfer nüchtern sein?

Pro Wahl sind in Deutschland über 650 000 Wahlhelferinnen und Wahlhelfer im Einsatz. Müssten alle nüchtern bleiben, würde kaum die Hälfte davon mitmachen. Doch Vorsicht: Obwohl es das Wort »Wahllokal« suggeriert, ist der Ausschank alkoholischer Getränke an Wählwillige nicht gerne gesehen.

2. Wie kann ich verhindern, dass sich Wähler in den Wahlkabinen ungebührlich verhalten?

Tatsächlich kommt es in der Praxis immer wieder vor, dass sich Wähler in den Kabinen autoerotisch stimulieren, die FDP wählen, ihren mitgebrachten Döner im Stimmzettel einwickeln oder alles gleichzeitig. Und Sie können die Schweinerei hinterher ausbaden. Deshalb wird die Installation des Wahlbeobachtungssystems »cleanELECTION 2025®«, dessen Anschaffungskosten vom Staat zu 30 Prozent gefördert werden, empfohlen. Zusammen mit dem Dachlattensystem »painHURTS 2025®« werden Sie die schwarzen Schafe unter den Wählern schnell erkennen und disziplinieren, damit sie die demokratische Erhabenheit ihrer Stimmabgabe sittlich zu würdigen lernen.

Dieser Perversling hat die Innenseite des Sichtschutzes mit Kreidezeichnungen von Käfern und Veronica Ferres beschmiert. Noch ahnt er nichts davon, dass das Überwachungssystem cleanELECTION 2025® ihn dabei ertappt hat.

Satire & Humor per E-Mail
Der EULENSPIEGEL-Newsletter erscheint Dienstag und Donnerstag mit auserwählten Beiträgen.

3. Dürfen Kinder mit in die Wahlkabine?

Ausnahmsweise können Kleinkinder, die noch nicht in den Stimmbruch gekommen sind, ihre Eltern beim Wählen begleiten. Statt Erst- und Zweitstimme dürfen sie allerdings nur ihre Kieksstimme abgeben und müssen bis zum Wahlspecial des Sandmännchens wieder zu Hause sein.

4. Kann man das Wahllokal bei schönem Wetter auch nach draußen verlegen?

Selbstverständlich. Man sollte allerdings darauf achten, dass die Wahlurnen nicht zu dicht an der Straße stehen, da sie ansonsten von der Müllabfuhr mit den Altpapiercontainern verwechselt werden könnten.

5. Wie erkenne ich, ob eine Stimme gültig ist?

Der Wahlvorstand muss darüber entscheiden, ob »der Wille des Wählers nicht mehr eindeutig erkennbar ist«. Das ist immer dann der Fall, wenn er gar nichts angekreuzt hat, alles angekreuzt hat oder die falsche Partei oder den falschen Kandidaten angekreuzt hat. (Im Zweifel einfach noch mal nachfragen: »SPD? Ist das Ihr Ernst?«) Doch es gibt auch Grauzonen, wo es dem Wahlvorstand nicht ganz so leicht gemacht wird, die Spreu vom Weizen zu trennen. Klassische Beispiele aus dem Wahlalltag sind:

Weitere 14 Fragen beantworten wir in der EULENSPIEGEL Ausgabe 02/2025.

    Anzeige

Auslese

Witzige Cartoons und bissige Satire per Newsletter

Melden Sie sich jetzt kostenlos an: