Wort & Wimpel

Ein Bockcast

Hallo! Mein Name ist Thilo Bock, willkommen bei meinem Podcast!

Es mag kurios klingen, aber: Ich hatte bis gerade eben keinen Podcast. Aber ich habe eingesehen: Ein Podcast muss sein. Ich bringe alle Voraussetzungen mit: Manchmal habe ich so etwas wie Ideen und noch viel mehr Zeit. Außerdem hat jeder in meinem Bekanntenkreis einen Podcast. Nehmen wir Tim. Tim hat seit einem halben Jahr einen Hund. Der Podcast, den er aufnimmt, wenn er mit Lumpi Gassi geht, war da eine Selbstverständlichkeit. Titel, logisch: »Tim & Lumpi«. Wobei Lumpi selten zu Wort kommt. Sowas will ich auch. Am Anfang habe ich mich gefragt: Podcast, was heißt das eigentlich?

Wie gut, dass es Suchmaschinen gibt. Demnach ist »Podcast« ein Kofferwort. Also jetzt nicht so wie in: Ich packe meinen Koffer und nehme dreihundert Likes mit, ein Hundefell, eine Ökobrause … Ökobrause, das ist übrigens voll witzig. Tippt man in die Suchzeile »Ökobrause« ein, poppt sogleich Reklame für Wassersparduschköpfe auf. Aber die packt man ja nicht in den Koffer, oder? Gibt es Leute, die ihren eigenen Duschkopf mit in den Urlaub nehmen, so wie andere ihr Kopfkissen? Ist vielleicht wegen der Keime wichtig. Das erspart einem das Duschen mit FFP2-Maske, wie es vorgeschrieben ist in allen Bundesländern mit einem K im Namen des Landesgesundheitsministers. Nee, kleiner Scherz! So ein Podcast soll auch ein bisschen mit Augenzwinkern sein. Bitte nicht deswegen auf die Straße gehen.

Ich weiß, ich weiß, hier kochen gleich die Emotionen über. Ich empfehle, diese mit einer Limo abzukühlen. Praktischerweise gibt es dazu das passende Getränk, es heißt »Limotion«. Die zahlen mir für diese Nennung aber nichts, falls das jemand denkt. Zumindest noch nicht, wenn ihr wisst, was ich meine, liebe Leute von »Limotion«. »Limotion« ist ebenfalls ein Kofferwort. So eine Art Sprach-Matrjoschka, in der mehr als ein Begriff steckt, meistens sind’s zwei, die zu einem neuen Begriff verschmelzen. Und so wird eben auch aus »iPod« und »Broadcast« die Sendung für den Eierbecher mit Klinkenstecker. Ursprünglich wollte ich gleich in die Vollen gehen und sieben Tage die Woche 24 Stunden lang podcasten. Aber Tim hat mich darauf aufmerksam gemacht, dass dann nicht alle Leute Zeit hätten, sich die kompletten Folgen anzuhören. Deshalb will ich mich vorerst auf vier bis acht Stunden pro Tag beschränken.

Der Trend geht allerdings zur Parallelbetextung. Noch mehr Input, noch mehr Entertainment, noch mehr Stimmen, die womöglich gegen die kopfeigenen anquatschen. Jeanne d’Arc wurde von so einem Schizocast dazu gebracht, den französischen König zu krönen. Mark David Chapman erschoss John Lennon. Und wir laden uns die neue Folge »Jung und Freudlos« herunter, den Podcast aus der Freiburger Psychiatrieklinik. Ich hoffe ja auch, dass mein Podcast die Gespräche mit dem Therapeuten ersetzt. Augen lassen sich schließen, Ohren bleiben offen bis zum völligen Funktionsausfall. Im Küchenradio laufen die »Informationen am Mittag«, die Kinder erzählen beim Bio-Buchweizenbrei, was ihnen am Vormittag so alles beigebracht worden ist, Alexa liest aus »Landlust« vor und das Smartphone spielt einen Podcast mit den 500 besten Virologenwitzen ab. Haha, ich lach mir den Geruchssinn weg! »Kommt eine Mutante ins Impfzentrum und fragt: ›Werde ich hier impfresistent?«

Die Nachbarskinder podcasten jetzt auch. Im Deutschunterricht! Titel: »Die Fehlerteufelchen und der Lesefant«. Stärkt bestimmt die Medienkompetenz. Manch Schülerin und Schüler könnte ja auf den Geschmack kommen. Berufswunsch Podcaster. Lerne fürs Leben: Jeder kann ein Star werden, er braucht nichts außer ein Mikro und Internet. Podcasts haben ja einen langen Atem. Das ist ein bisschen wie ein Muttitelefonat. Mit deren Stimme am Ohr lässt sich durchaus mal die Zimmerpalme abfeudeln oder das Bügelperlenmosaik zu Ende stecken. Das erinnert an »Eine links, eine rechts, einen fallen lassen«, den Podcast von Ari und Caro. Beide sitzen strickend am Mikrofon, man hört die Nadeln klappern, und sie erzählen die Podcasts nach, die sie letzte Woche gehört haben. Das dauert meistens länger als die Originale. Am Ende beschließen sie gemeinsam, welchen Podcast sie sich in Zukunft sparen, also fallen lassen.

Böse Stimmen im Netz behaupten, das sei alles Fake. Angeblich könnten die beiden gar nicht stricken. Ich fänd ja besser, die nacherzählten Podcasts wären erfunden. Gut war allerdings die Folge, in der Ari und Caro das »Coronavirus-Update« von Professor Drosten zusammengefasst, aber ganz andere Schlüsse daraus gezogen haben. Vielleicht sollten sie das gleich ganz übernehmen. Im Gegensatz zu Ari und Caro soll Drosten ja noch einen richtigen Beruf haben. Irgendwas mit Weltrettung. Der Drostenpodcast kommt bald auf 100 Folgen. Die Serie »Breaking Bad« hatte bloß 62. Und da ist schon die zweite Staffel falsch abgebogen. Wäre doch viel spannender gewesen, wenn Walter White nach seiner überraschenden Genesung zurück in den Schuldienst gekehrt wäre. Hätte so eine richtig schöne High-School-Serie werden können. Und in einem Spin-off würde er mit seinem Schwippschwager Hank einen Antidrogenpodcast aufziehen. »You better drink beer.« Da hätte ich jetzt auch Lust drauf.

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Mit Bier werde ich so schön mitteilsam. Je länger ich hier über Podcasts sinniere, desto deutlicher wird mir, dass das genau mein Ding ist. Nur über was soll ich reden? Ich stelle Google genau diese Frage: »Worüber soll ich podcasten?« Die ersten 25 Suchergebnisse erklären mir lediglich, was ich brauche, um loszulegen. Erst Nummer 26 erkennt meine Notlage: »Das passende Podcast-Thema finden leicht gemacht«. Und das ist echt easy: Inhalt egal, Hauptsache, du kannst Stunden drüber reden. Das Wie ist auch schnuppe, solange du authentisch rüberkommst. Ist ein bisschen so wie in der Kneipe, wo Leute, die nichts zu sagen haben, pausenlos palavern, meistens sogar, ohne dafür auf die Fresse zu kriegen.

Am sympathischsten sind mir dort stets die Menschen, die ganz viel zu sagen hätten, und trotzdem die Klappe halten, sich höchstens mal vieldeutig in die Stille hinein räuspern oder ein »Jau, so is dat!« verlauten lassen, damit man sie nicht für tot hält. Voll die Weltidee ist das! Ein Podcast von einem, der viel zu sagen hat, das aber für sich behält. Ja, selbst wenn mir das schwerfiele – ich würde es auf mich nehmen. Zwischendurch ist ein Schniefen zu hören, ein Seufzen, ein Aufstoßen. Vielleicht fällt auch was um, eine Flasche oder ein Wimpelständer. Bisweilen sage ich »Ja, ja«, damit die Zuhörenden wissen, dass sie mir tatsächlich dabei zuhören, wie ich nichts sage. Und ich lade mir Gäste ein zum gemeinsamen Schweigen. Erste Folge: Prinz Harry und Papst Franziskus. Letzterer hält seine Klappe sogar auf Latein. Ab morgen täglich, mindestens fünf Stunden nonstop. Ich freue mich drauf! Und ihr nach dieser geilen Nummer hier doch sicher auch!

Euer

THILO BOCK