Der König – manchmal nackig
Unsere Besten
von FELICE VON SENKBEIL
Lang lebe der König, und richtig gut lebe König Til! Til Schweiger würde den Job machen, verkündete er in einer dieser langweiligen Talkshows. Nicht dass er ein Monarchie-Fan wäre, aber er hat einfach geniale Ideen und zum Kanzlersein fehlt ihm die Zeit. Er wäre genau der richtige – beliebt bis zum Exzess, charismatisch, unantastbar, unfehlbar – aber so was von cool!
Ein moderner König eben. König Til, wie schön das klingt, nach Meeresbriese, verkaufsoffenem Sonntag, Schloss Bellevue und Boxershorts mit Eingriff.
Er spricht dem Volk aus dem Herzen, direkt, ohne den Umweg über das Gehirn zu nehmen. Seine Aura ist magisch und seine Worte entheben sich jeglicher Widerrede. Niemand sollte es wagen, ihn sich zum Feind zu machen, er brächte eine ganze Nation gegen sich auf. Der rasante Fall des Bruttosozialprodukts wäre die Folge und die Russen hätten mit uns leichtes Spiel. Das haben sämtliche Boulevardblätter des Landes begriffen und erwähnen Herrn Schweiger nur sehr ungern, sozusagen nur, wenn’s gar nicht anders geht.
Seine Filme zeigt er der Presse nicht vorab. Denn sie sind so genial, dass er fürchten muss, die Filmkritiker könnten die brillantesten Einfälle verraten (gegen Geld natürlich). Nur seinem Publikum fühlt er sich verpflichtet, und das liebt ihn. Besonders jetzt, da er mit einem Hochzeitsfilm den Nerv unserer Zeit voller Hass und Corona-Viren trifft. Was gibt es Lustigeres, Spannenderes und Wichtigeres als Heiraten? Da liegen die Gags doch direkt auf den Stufen zum Standesamt, und es braucht nur einen wirklichen Künstler, der sie aufhebt.
Sein Talent, sein Fleiß, seine unerschöpflichen Ideen sind nur vergleichbar mit … aber lassen wir Beethoven diesmal aus dem Spiel! Er ist ein Alleskönner, kann sogar Holzhacken, einer Dame den BH öffnen und in Talkshows den Sitz seines Gemächts korrigieren – ein Macher, eine Lichtgestalt. Er sieht verdammt gut aus, auch im »silver age«. Das hat Gründe, die er – mit seiner Leidenschaft für moderne Philosophie – selbst erforscht hat: »Ich glaube an die Theorie, dass jeder mit einem bestimmten Alter auf die Welt kommt und dieses Alter behält. Ich fühle mich wie Ende zwanzig.« Und so kommt er auch rüber! Mehr noch, keiner, der ein paar Worte mit ihm wechselt, würde ihn älter als dreizehn schätzen. Diese Kraft, dieses erfrischende Lächeln, diese freche Frisur und die süßen Frauen an seiner Seite. Geliebte, Töchter – egal.
Neben Frauen liebt er auch Hunde, Bulldoggen. Da greift er zum Hässliche-Freundinnen-Trick, je faltiger der Kumpel, desto glatter wirkt er selbst. Eigentlich ist es völlig unangemessen und oberflächlich, sich mit dem Äußeren dieses Intellektuellen zu befassen. Gäbe es nicht dieses Detail, das Fragen aufwirft. Warum diese weit ausgeschnittenen Pullis? Und wo kann man so was noch kaufen? Ursprünglich wollte er nur seine starken Nackenmuskeln präsentieren. Nun wurde die freiliegende Halsschlagader und der nackte Adamsapfel zum Symbol für seine Unabhängigkeit. Seht her, ich lasse mir keine Kette anlegen, nicht mal eine Krawatte! Begonnen hat Schweigers Siegeszug in der »Lindenstraße«. Zuvor hatte er tatsächlich eine Schauspielschule besucht und auch wirklich Abitur gemacht. Das glaubt er selbst manchmal kaum, wenn er seine eigenen Filme schaut. Uneitel berichtete er neulich bei seinem »Journalisten des Vertrauens«, Markus Lanz, dass er in Hollywood aus Castings kam und dachte: »Jetzt weiß die ganze Welt, dass ich gar nicht spielen kann.« Diese Ängste waren natürlich völlig unbegründet, wie sich später zeigte, zeugen aber von einer zuweilen selbstquälerischen Fähigkeit zur Selbstkritik.
Am Anfang der Karriere musste sich der Künstler in der Rolle des doofen Bruders einer pickligen Fetten missbrauchen lassen. So war das widerliche Filmgeschäft der 80er-Jahre. Aber statt bei H. W. Geißendörfer den Vertrag über dreißig Jahre zu unterschreiben, wischte er sich damit den Hintern. Das kam nicht gut an, in der menschenverachtenden Filmindustrie.
Dann passierte das, was Herrn Schweiger noch oft passieren sollte und ihn später zum kompromisslosen Feministen machte: Er wurde auf seinen Körper reduziert. Immer wieder bekam er Rollen, in denen er einfach nur sexy war. Er nuschelte so vor sich hin, lächelte süß und machte sich nackig. Dafür wurde er geliebt, aber in seiner künstlerischen Tiefe nicht verstanden. Er ließ diese Demütigungen über sich ergehen, zog nach Los Angeles und durfte bei Tarantino einen Nazi-Jäger geben. Doch dann sprach eine Stimme zu ihm. Wäre es seine eigene gewesen, hätte er sie vielleicht nicht verstanden, aber sie war in seinem Kopf, männlich und deutlich: Schreib dir deine Rollen selber, dann wird alles gut! Und so war es. – So richtig selbst geschrieben hat er zwar nicht, aber es gab jemanden, dem er diktierte. »Knocking’ on Heaven’s Door« wurde ein viel beachteter Erfolg, und Schweiger musste als Produzent und Autor ernst genommen werden. Der großen Herausforderung unserer Zeit, dem Krieg der Geschlechter, hat sich Schweiger seitdem verschrieben. Mit einem klaren gendertheoretischen Fundament: »Als Mann eine Frau zu verstehen, ist genauso unmöglich, wie als Frau einen Mann zu verstehen. Deswegen haben wir doch die ganzen Probleme.« In seinen Filmen geht es folglich darum, die Frau endlich zu analysieren, ihr zu huldigen und sie zur Belohnung flachzulegen.
Die Til Schweiger-Welten sind ausgestattet wie Beispielfotobücher vom dm-Markt und auch so besetzt. Blonde Frauen heiraten blonde Männer und haben blonde Töchter. Die Töchter, also Prinzessinnen der Schweigers, sind wie Engel fürs deutsche Kino. So rein und unaufdringlich, und angefüllt mit alterslosen Lebensweisheiten. Auch in seinem neuesten Werk ist seine Tochter Lilli dabei. Als hätte Til seine Schönheit virtuell vermehrt und opfere nun sein Fleisch und Blut dem Kino-Volke. Er ist der Bewacher ihrer Unschuld. Und der Unschuld aller süßen, blonden Mädchen, die nicht seine Beischläferinnen sind.
Seine Feinde sind Pädophile und die Presseleute. Die einen hasst er, weil er ein Vater ist. Die anderen, weil er ein Künstler ist. Doch als Künstler ist er unanfechtbar – daher versuchen sie es anders. Einmal warfen sie ihm vor, in seinem Restaurant Leitungswasser zu vier Euro das Glas zu verkaufen. Der Anschlag schlug fehl – sein Publikum verstand ihn: Das ist geheiligtes, geweihtes Wasser, es floss durch Tils Hände. Schweiger ist durch und durch ein politscher Mensch, ein Mann mit Haltung und Format. Sein großes Vorbild ist Friedrich Merz. Wäre Schweiger König, würde er ihn zum Kanzler ernennen. Was beide vereint? Die kompromisslose Ehrlichkeit!
Des tapferen Recken Achillesferse ist seine Güte, sein Herz lässt jeden ein, auch den Blender, den Durchgeknallten. Jan Ullrich war so ein Fehlgriff und außerdem ständig im Rausch. Aber Schweiger steht zu seinen Freunden. Xavier Naidoo wäre vielleicht Kriegsminister unter König Til. Der hat so eine reine Seele und wird von der Presse … na, wir wissen schon. Dass man in Deutschland nicht alles sagen kann, »das kotzt mich mega an«. Denn es gibt Themen, zu denen darf ein Schweiger einfach nicht schweigen. Heiraten zum Beispiel.