Ein Anruf bei Olaf Scholz

Guten Tag, Herr Scholz, jetzt erreiche ich Sie endlich! Ich habe es heute schon mehrmals versucht, immer war besetzt.
Ja, es kamen einige Glückwunschanrufe. Ich bin jetzt beliebt!

Glückwünsche? Sie haben die Wahl zum Vorsitzenden doch verloren.
Ja, aber für jemanden aus der SPD sind 45 Prozent schon ein sehr gutes Ergebnis. Das ist mehr als 9-mal so viel wie unser Abschneiden bei der nächsten Bundestagswahl! Und oben drauf kamen noch die ganzen Anrufe von Leuten, die mir einfach dankbar sind, dass ich verloren habe.

So kann man es natürlich auch sehen.
So muss man es sehen, wenn man nicht zurücktreten will. Wer hat hier »zurücktreten« gesagt? Treten Sie doch zurück!

Äh, ja. Sehr gern. Wie fühlen Sie sich denn jetzt als Nicht-Vorsitzender der SPD?
Es ist mir ein innerer G20-Gipfel. Aber einer, den die Autonomen gewonnen haben. Ich fühle mich unfair behandelt, richtig zum Kotzen.

Da müssen Sie aber aufpassen, das kann in manchen Situationen gefährlich enden. Wie bei den von Ihnen angeordneten Brechmitteleinsätzen.
Ich erinnere mich, damals sind Menschen gestorben. Naja, einer. Da habe ich mich das letzte Mal richtig mächtig gefühlt. Und lebendig.

Verständlich, damals hatten Sie ja auch noch Haare.
Ach! [Man hört, wie Scholz sich wehmütig die Augenbrauen streichelt.]

Wissen Sie, wie Ihre Mitbewerber mit ihren Niederlagen umgehen?
Die Geywitz zum Beispiel hat es gut: Natürlich ist ihre Kandidatur in meinem Charisma ertrunken, aber dafür hat sie jetzt auch nicht den ganzen Stress und muss sich am Telefon erklären. So ist es mit Frauen: Du hast den Triumph für dich, aber die Niederlage halt auch.

Was ist eine Geywitz, Herr Scholz?
[Kurze Stille, dann einsetzendes Tuten.]

Herr Scholz?
[Eine Frauenstimme vom Band:] Aufgrund technischer Schwierigkeiten – Esken und Walter-Borjans haben die Telekom enteignet und zu Grunde gewirtschaftet – ist die SPD bis auf Weiteres nicht erreichbar. Machen Sie das Beste draus! Aufgrund technischer Schwierigkeiten …

Wir danken für das Gespräch.

Laura Brinkmann

Aus dem EULENSPIEGEL 01/2020

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