Röschen fast im Himmelreich

Aber Stalin ist tot

Wenn man Ursula Gertrud von der Leyen – oder, wie man in deutschen Familien liebevoll sagt: »unsere starke Stimme für ein starkes Europa« – mit Josef Stalin vergleicht, scheint sie auf den ersten Blick gehörig abzustinken.

Ja, der Josef Wissarionowitsch! Als »politischer« Auftragskiller hat er angefangen und dann hat er die Welt verändert, sodass wir heute noch daran zu knaupeln haben. In seiner Karriere ist er alles geworden, was man in einem analogen Russland werden konnte: Generalissimus und Chef an allen Fronten, Generalsekretär, Lehrer der Massen, oberster Ankläger, Richter und Henker und Held der Arbeit, sogar posthum.

Als er achtundsiebzigjährig starb, schlichen ein Dutzend Lafettenfahrzeuge hinter seinem Sarg einher mit all seinen Orden, Urkunden, Ehrenzeichen – fein drapiert auf rotem Samt – an den weinenden verwaisten Proletariern vorbei.

Damit Ursula von der Leyen in Deutschland so verehrt werden kann wie Stalin aktuell in Russland, muss sie vor ihrem Tod noch einige Orden und Preise einsammeln.

Doch hatte er übrigens nie einen Eurovision Song Contest gewonnen – ein Defizit, das bis heute von den Kommunisten beschwiegen wird.

Den ESC hat auch Ursula von der Leyen nicht gewonnen, sie hat nicht mal daran teilgenommen! Einmal allerdings, sagt Wikipedia, hat das »Röschen«, wie die Karrieristin sich in ihrer naiven Phase nennen ließ, eine Schallplatte mit dem Volkslied »Wohlauf in Gottes schöne Welt« besungen – aber das blieb unerhört.

Satire & Humor per E-Mail
Der EULENSPIEGEL-Newsletter erscheint Dienstag und Donnerstag mit auserwählten Beiträgen.

Aber sie hat die »Goldene Henne« abgefangen – das war der Start in eine atemberaubende Laufbahn als immer empfangsbereite Laureatin für Preise und Ehrungen aller Art!

Was sich wie ein Negativpreis anhört – »Die Henne« war 2007 der Versuch der ostigen Superillu, sich bei der Kanzlerin und ihrer Intimfreundin, der Familienministerin von der Leyen, anzubiedern. Begründet wurde der Preis dazumal mit von der Leyens »modernem Mutterbild« – sie hat sieben Mal entbunden!

Danach gab es für »die Uschi« (wie sie in ihrer Zeit als Verteidigungsministerin von den Soldaten wegen des gefälligen Reims genannt wurde) kein Halten mehr. Sie wurde die »mächtigste Frau der Welt« (Forbes), »Politikerin des Jahres« (welches ist egal, es hätte auch das vorherige oder das nächste sein können). Sie wurde Präsidentin der Europäischen Kommission – und damit so etwas wie der von keinem Bürger, keiner Bürgerin gewählte Regierungschef eines Staates, des Staates Europa sozusagen.

Wegen ihrer »starken Stimme für Europa« wurde sie Rednerin des Jahres und – vermutlich weil sie »Hilfe, Feuer!« stark rufen konnte – erhielt die Ehrenmedaille der deutschen Feuerwehr. Und hochbeglückt war die passionierte Reiterin über den Ehrenorden der Spanischen Hofreitschule und den Orden des Fürsten Jaroslaw des Waisen.

Wie hübsch! Wie niedlich!

In diesem Frühjahr allerdings entschwand die so zuverlässig wie regelmäßig benefizierte Person in eine andere, eine höhere Dimension. Erst wurde ihr der edle Aachener Karlspreis zuteil. Warum? Na, weil sie eine starke … usw. ist. Das Preisgeld beträgt erstmals und speziell fürs »Röschen« eine Million Euro (bis 2007 waren es 5000 Euro, dann 0). Frau von der Leyen behält es natürlich nicht, sie wird es spenden – in die Ukraine.

Wenige Tage später wallfahrten die besten, bekanntesten, beliebtesten und betuchtesten Persönlichkeiten des Landes ins Tipi am Kanzleramt, zahlten 500 Euro aus eigener praller Tasche, speisten und tranken und tanzten, dass es eine Lust war, und huldigten der Präsidentin Ursula mit dem Politik-Award »Politikerin des Jahres«.

Da war das Jahr erst sechs Monate alt. Das hat schon seine Richtigkeit: Für das zweite Halbjahr wird sie wahrscheinlich den Nobelpreis für Frauenmedizin erhalten.

MATTI FRIEDRICH

    Anzeige

Auslese

Witzige Cartoons und bissige Satire per Newsletter

Melden Sie sich jetzt kostenlos an: