Wo die starken Männer (nicht) wohnen
Was nun? Die Frage, die bekanntlich schon Lenin in den Raum warf, stellt sich, kaum sind 120 Jahre und ein paar Zerquetschte dahingegangen, erneut. Nur steht diesmal weniger Russland als Amerika im Brennpunkt des Fokus: Wie soll der Globus mit den USA umgehen, wenn die USA so mit dem Globus umgehen?
Das Paradebeispiel dafür, wie es schiefgeht, lieferte Ende Februar Wolodymyr Selenskyj. Er wurde im Weißen Haus von Donald Trump mit einem Nasenstüber verabschiedet und musste ohne Abendbrot nach Hause fliegen – nachdem er schon bei der Ankunft vom äußerlich sauber herausgeputzten US-Präsidenten wegen seiner speckigen Freizeitkluft verlacht worden war.
Andere Staatschefs und Bundeskanzler könnten das entspannt beiseiteschieben, wenn nicht alle Alarmzeichen darauf deuten, dass die frische US-Regierung auch die popelige EU und deren Assoziierte auf Kniehöhe unter sich sieht. Wohin also mit dem alten Kontinent in der entstehenden neuen, grundlegend anders gestempelten Weltordnung?

Mit rauchenden Köpfen suchen dessen Auguren, Eierköpfe und Chefs nach dem Rettungsweg. Manches wurde schon an Trump getestet, ohne ein Lot Erfolg: den Orangefarbenen, der öffentlich seinen Griffel ausfährt, mit der eigenen Menschenhand ebenfalls rundherum betatschen und sich hinterher gründlich desinfizieren – wie Emmanuel Macron? Oder mit trainiertem Lächeln sich sein Teil lautlos denken – wie es Keir Starmer probiert hat? Immerhin, beide sind wohlbehalten als Ganzes zurückgekehrt nach Paris und London. Das ist nicht wenig aber es ist zu wenig!
Um Annalena Baerbock müsste man mehr bangen. Sie weiß, dass sie – wie zuvor andere! – beschädigt werden, im Oval Oce unter die »Räder« kommen könnte; Trump wird bekanntlich von einem Stück Stoff mit einer Dame darin angelockt wie der Hund von einer Fleischwurst. Baerbock rührte sich in Berlin deshalb nicht vom Fleck – doch ob das die richtige Melodie für eine Zukunft ist, in der man und eben auch frau ihre Beziehungen mit dem Macho im Weißen Haus testen, auskungeln und um die angemessene, die korrekte Lesart ringen müssen?
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Ihm aus dem Weg gehen, sich zu Hause vier Jahre eingraben und sich nicht rühren – das ist zwar eine Möglichkeit, aber keine Lösung. Umgekehrt, wenn er selber kommt, sich die Augen zuhalten und leise und laut rufen, er sei nicht da: ebenfalls keine Strategie, die in eine solide aufgepolsterte Zukunft führt.
Am wichtigsten ist Trump nämlich, dass man den Elefanten im Raum wahrnimmt. Ihm deshalb bei einem Festessen den Stuhl demonstrativ unter seinem Hintern wegziehen, ihn bei einem Staatsbesuch mit einer Reißzwecke in der Hand begrüßen oder beim gemeinsamen Fototermin das Eselszeichen hinter seinem Kopf machen: Das alles hat der stets eisenhart kalkulierende Präsident nie auf die krumme Tour genommen – Gegenteiliges ist noch durch keine Presse gesickert – und wird es vielleicht auch künftighin nicht, sofern es denn Begleitmusik für milliardenvolle Geschäfte ist. Sonst könnte es selbstverständlich doch bumm machen.
Egal! Selenskyj muss sich unbedingt besser präparieren und solider ausstaffieren als bei seinem ersten Besuch. Statt Bilder von blutenden Ruinen und zerstörten Menschen mitzubringen, die Trump nur begeistert hätten, wenn er nicht bereits im herrlich zerlegten Gazastreifen die blühende Riviera des Nahen Ostens gefunden hätte – dort und nicht in der irgendwie schmuddeligen Ukraine sieht der gelernte Immobilientycoon die Zukunft am Horizont aufgehen: nicht Emotionen, Moral und ähnlichen Ballast ausstreuen, sondern, s. o., mit fetten Deals winken, lautet die Parole!

Ohne das verpufft alles irgendwo im Nirgendwo. Das tut es allerdings ebenso, wenn man seine Karten naiv aufs Gegenteil setzt, schnurgerade liebedienert und Trump Honig wohin schmiert. Ihm nach evangelikalem Urbild die Füße waschen und die Hornhaut schmirgeln, ihn umarmen, aber dabei die eigene Brieftasche immer im Auge behalten, ihm was Leckeres hinstellen bzw. kaufen, vielleicht einen turmhohen Hamburger Royal TS mit Käse, und ihm dazu schnurrend um die Beine streichen – nein! Trump ist sogar für Schmeicheleien unempfänglich, wenn sie nicht mit nackten Geldscheinen aufgeplustert und abgesichert werden. Nur auf solche Köder reagiert er wie der bereits genannte Köter auf die schon zitierte Wurst.
Sachspenden, also kleine Geschenke in gegenständlicher Form, sind nicht Trumps A und O – er baut Wolkenkratzer, nicht Pralinenschachteln –, werden aber, wenn nützlich und verwertbar, genommen. Von Büchern ist allerdings abzuraten – ausgenommen ein schlichter Comic oder ein einfach gebautes Bilderbuch, stabil konstruiert und mit dicken, nicht zu vielen Pappseiten; es darf den Präsidenten der größten Weltmacht aller Zeiten nicht zu lange beschäftigen. Solcherlei Gaben können Trump für einige Momente ruhigstellen. Indes: Hinterher kommt immer der Zahltag. Um wirklich Paroli zu bieten, sind größere Kaliber notwendig. Keine rhetorischen – lange Sätze sind zu lang, und kurze, bissige Wörter wie »Sausack« und »Hurenbock« schüchtern ihn nicht ein; er wendet sie wie ein Stück Wäsche und nimmt sie als Lob seiner eingeborenen Herrlichkeit. Und ihn zu einer neumodischen und das Gehirn strapazierenden »Battle« voller Geistreicheleien und Gemeinheiteleien aufzustacheln, hat ebenso wenig Zweck, wie Trump zu fragen, ob er Demenz für heilbar hält – er würde die Frage nicht verstehen. Sondern darauf verweisen, dass er einen Test gemacht hat, bei dem er einfach gemalte Tiere wie einen Löwen und ein Nashorn durchaus zutreffend erkennen und sogar benennen konnte.
Nein, nur mit Kraft durch Freude und Macht durch Stärke dringt man zu Trump wirklich durch! Nur Schwergewichte, die gleich ihm Gravitationswellen aussenden und den Raum verbiegen, verdienen gerade so noch seinen Respekt. Nicht der Zwerg Europa, dieser alte, runzlige Kontinent, der nach und nach in der Vergangenheit verschwindet. Sondern die Länder, wo die starken Männer wohnen! Mit ihnen schließt man Aug’ in Aug’ Frieden – oder kämpft mit ihnen bis zum letzten Tropfen. Um den Propheten Lenin ein zweites Mal zu zitieren: Was dann?
PETER KÖHLER

Auslese
- Wo die starken Männer (nicht) wohnenPeter Köhler
- Irgendwie lustigFelice von Senkbeil
- Wenn Vogel, dann totFelice von Senkbeil
- Der Ossi, an dem Ratten nagenMatti Friedrich
- Das ganze Leben – nur ein SpielFelice von Senkbeil
- Arbeiten, wo andere wählenMichael Kaiser Wer träumt nicht davon, einmal in seinem Leben als Wahlhelfer unserer Demokratie zu dienen?