Der Holzfällerunterarm
Ein offener Brief von MATTI FRIEDRICH an die »Friedrichs«
Hochverehrte, bewundernswerte Friedrichs, Glückskinder im Medienurwald!
Gleich vorab: Ich erlaube mir das trauliche Du, weil wir drei der weltweiten Community der »Friedrichs« angehören und weil der EULENSPIEGEL – als unmittelbarer Konkurrent des in Westdeutschland weit verbreiteten Spiegel – mit Euch, dem Verlegerpärchen der Berliner Zeitung, sowohl was unser beider Reichweite als auch was das politische Gewicht betrifft, sozusagen auf Augenhöhe steht.
Ihr wundert Euch gewiss über die überschwängliche Anrede (siehe oben!). Aber aus dem Spiegel habe ich gelernt, dass man Euch beiden am besten devot begegnet, dass andernfalls selbst Wortgeplänkel an der Fahrstuhltür mit Euch unerfreulich verlaufen können. Der Spiegel sagt bekanntlich, was ist. (Nur manchmal ist es nicht gewesen.)
Dennoch mache ich mir Sorgen. Nicht, weil Du nicht genau weißt, ob Du nun 150 oder 200 Millionen Euro besitzt (was Du vor Jahren dem Meister Osang erzähltest und Dich sofort zu Döpfners Feind gemacht hat). Nein, mir geht es um ideell »höhere Beträge«: Die gleichermaßen eindrucksvolle wie einfühlsame Porträtserie über Holger & Silke in Eurer Berliner hatte so wunderbar begonnen! Über drei bis fünf Druckseiten erfuhren die Berliner (und über das Internet erfuhr es die ganze Welt), wie es Euch gelungen ist, durch raffinierte innerredaktionelle Organisation, bei der erstmals sogar das Internet zur Anwendung kam, täglich eine Zeitung herzustellen und an die Abonnenten zu verteilen. Risikofreude, »kompetente Lebenslust«, »gut gebräunte Haut« und Charakterfestigkeit haben sich dabei als »Gamechanger« erwiesen.
Da war der – eigentlich schon literarisch zu nennende – Text eines Herrn Maier: »Als ich spätabends in die Redaktion zurückkehren wollte, fand ich den Eingang nicht.« Wo hätte man je den Bericht eines Trunkenen von so kafkaesker Anmutung gelesen! Die vielseitige Liebeserklärung des Mannes, der aus dem Dunkel kam, an die »Friedrichs« gipfelt in Unerhörtem: »Natürlich machen auch wir Fehler, werden unserem hohen Anspruch allzu oft nicht gerecht. Wir versuchen jedoch jeden Tag, es morgen besser zu machen«. Wer kann das reinen Herzens von sich behaupten?
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Oder die Margit, die bei Euch für die Kochrezepte zuständig ist! Ihr seitenfüllender Text: eine Hommage an den »Holzfällerunterarm« des Verlegers!
Also, macht weiter so, Ihr beiden! Und Du, Holger, greif auch Du wieder zur Feder, gern auch in der Art von »Wir, der Berliner Verlag, sind zur Perle geworden«. Ich weiß, Du hast Deine Publikationen der strengen Kontrolle der Redaktion unterstellt. Trotzdem beklagt der Spiegel »mäandernden Gedankenfluss«, der in der Kaste der Edelfedern Spott auslöse. Aber dass es – laut Spiegel – Texte für Putinfreunde, Impfgegner, ostdeutsche Wutbürger und Egon-Krenz-Verehrer sind – dafür solltet Ihr, die »Friedrichs«, Euch schämen!
Euer Matti Friedrich (nach Diktat verreist)
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