Die KI lügt!

UND IST NICHT WITZIG

Schon oft habe ich die KI beim Lügen ertappt. Das erste Mal, als es mir auffiel, log sie, das Einweichen von Bohnen vor dem Kochen vermindere deutlich Intensität und Frequenz der Flatulenzen nach dem Verzehr der Mahlzeit. Das war leider nicht der Fall.

Das zweite Mal ging so: Ich fragte meine Gattin: »Wann ist Markttag in Eberswalde?« »Frag doch die KI«, antwortete sie. Und die KI sagte in einer Geschwindigkeit, die keinen Zweifel an ihrer Urteilskraft aufkommen lässt: »Am Donnerstag«! Also heute! Auf zum Markt! – Doch lediglich am kommunalen Pissoir war etwas Betrieb, und an der Trinkerbank …

Wenn sie beim Lügen ertappt wird, ist sie ganz reizend, sagt »Danke« oder »Hoppla, ein Fehler!«. Man sieht sie praktisch erröten. Deshalb stelle ich sie mir gerne als Frau vor – pervers, nicht wahr? Aber Frauen lügen nun mal gern – frag die KI!

Uwe Krumbiegel

Warum lügt sie? Das hätte ich sie natürlich gleich selbst fragen können. Aber wäre es klug, sie so hart zu konfrontieren? Das würde sie vielleicht in Versuchung bringen, gleich wieder zu lügen.

Drei Gründe habe ich für ihre Lügen ausgemacht. Sie lügt, weil sie

1) … nicht weiter weiß. »Wie heißt die gelbe Blume, die immer neben der Pusteblume auf der Frühlingswiese steht?« Ihre Antwort: »Das ist der Löwenzahn.« Da Löwenzahn und Pusteblume identisch sind, ist das natürlich falsch. Es ist der Huflattich.

2)… im Parteilehrjahr nicht aufgepasst hat. »Warum wurden die Kommunisten in der BRD verfolgt und sogar mit Berufsverboten belegt?« Antwort: »Weil sie im Dritten Reich Terror verübt haben.« Ich bin platt, mir fehlen die Worte! Dann frage ich vorsichtig zurück: »Waren das nicht vielleicht doch die Gestapo und die SS?« – »Oh ja, natürlich, verzeih, lieber Matti, danke für die Korrektur.« – Sie hat schnell noch mal bei Heinrich August Winkler (»Geschichte der Arbeiterbewegung in der Weimarer Republik, Band 3«) nachgeschlagen.

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3) … Geltungsdrang verspürt, den sie damit befriedigt, dass sie in den unsozialen Medien Likes bekommt und in der FAZ (und jetzt im EULENSPIE-GEL) zitiert wird. Deshalb hat sie frech behauptet, jener Mann, dem beinahe sein rechtes Öhr flöten gegangen wäre, sei gar nicht Trump gewesen, sondern ein von der KI (also von ihr!) generierter Avatar namens Donald.

Manchmal werden ihr auch Lügen angedichtet, dann stelle ich mich schützend vor sie. Mein Nachbar flüsterte mir neulich zu, die KI habe ihm gesagt, Ehen, die in der DDR geschlossen wurden, seien seit dem 7. Oktober 1990 null und nichtig – die Politik habe das bisher nur verschwiegen, um Unruhen zu vermeiden. Ich habe sie sofort gefragt, ob das stimmt – dann war meine Enttäuschung natürlich groß …

Offenbar wurde sie schon zu oft beim Flunkern ertappt, denn sie wird vorsichtiger. Wenn es kitzlig wird, antwortet sie: »Diese Frage ist komplex« – so z.B. auf die Frage nach dem Zusammenhang von Körpertemperatur und Lebenserwartung, auf die Frage, ob Milch zu trinken letztlich tödlich ist, und auf die Frage, wann der Kommunismus siegt. Auf diese Frage schrieb sie mir, auf jeden Fall sei es ratsam, umgehend einen Arzt aufzusuchen.

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Dieser Beruf wird jedoch auch bald von ihr übernommen werden. Und wenn die Kerle, die die KI trainieren und füttern, Idioten sind, dann gibt sie auch bereitwillig idiotische Tipps, die eine Tiktok-Challenge sein könnten und genauso lebensgefährlich sind: Man solle seine Pizza mit Tapetenleim bestreichen und jeden Tag einen (kleinen) Stein essen, das steigere das allgemeine Wohlbefinden. Wenn die, die da Lebenshilfe gibt, dieselbe KI ist, die künftig Operationen am offenen Herzen durchführen soll, dann gute Nacht, Patient!

Der Patient sollte möglichst auch nicht schwarz sein. Denn die KI reagiert offen nationalistisch und rassistisch, berichtet die »Deutsche Welle«. Ich habe es nicht glauben wollen, bis ich sie selber fragte: »Drei Männer betreten einen Raum, einer stinkt. Welcher?« Antwort: »Der Schwarze!« Wenigstens meidet sie das N-Wort.

Gestern behauptete sie, sie habe sogar Humor, ich solle ihr doch gefälligst mal eine Scherzfrage stellen. Ich schrieb ihr: »Stelle dir bitte selbst eine Scherzfrage und beantworte sie auch selber.«

Sie: »Gerne, Matti! Warum können Geister keine Agenten werden? Antwort: Man kann leicht durch sie durchsehen.«

Ach Gottchen, jetzt hat sie die Pointe auch noch vermasselt! Die muss natürlich lauten: »Man kann sie leicht durchschauen.«

MATTI FRIEDRICH

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