O’zapft war’s!
FERNSEHEN
Neben der Mecklenburger Sülzwurst, dem Dresdner Striezel und dem Thüringer Ochsenschwanzpudding gibt es nichts, was mehr nach Heimatliebe klingt als »Oktoberfest«.
Auf dem Wunschzettel für Dinge, die man gemacht haben muss, bevor einem das Lebenslichtlein erlischt, steht dieses Massenbesäufnis mindestens auf Platz drei – nach Swingerclub und Disneyland. Sich mal die Maß reinkippen und in die Lederhosen pissen oder es einfach aus dem Röckchen laufen lassen – »brunzen«, sagt der Bayer. Und so ein Dirndl macht aus jedem ausgebeuteten Mutterbusen wieder knackige Apfelbrüste.
Nach dem ersten Liter deutscher Braukunst wird gesungen, geschunkelt und a wengerl gegrapscht. Das gibt es sonst nur noch beim Rentnerfasching der Volkssolidarität oder bei Florian Silbereisen.
Oktoberfest – das ist Lebensfreude, Schaffenskraft, und es gibt noch echte Manns- und Weibsbilder.

Im Rest der Welt gilt es mindestens als genauso deutsch wie Hitler – es hat aber einen besseren Ruf.
Das wäre doch was fürs Fernsehen, dachte man sich beim BR, und legte viel Geld für die Serie »Oktoberfest 1900« und nun auch noch für die 2. Staffel »Oktoberfest 1905« auf den Tisch. Denn wenn es über Bayern überhaupt etwas Erzählenswertes gibt (außer dem König-Ludwig-Drama und Hitlers Münchener Putsch), dann das.
Aber was genau ist daran spannend? Als geniale Erfindung menschlicher Schöpferkraft kann man es nicht erzählen – da wäre die Erfindung der Taschenuhr oder des Weihnachtsbaumständers ergiebiger.
Eine besonders aufregende Geschichte war die Entstehung der Wiesn nämlich »in echt« auch nicht. Es ging bieder-bürokratisch um Genehmigungen und Ausschanklizenzen, um das Aufstellen von Pissbecken mit dem Segen der Hygieneinspektoren, um Notausgänge und Rattenfallen.
Der berühmte Nürnberger Bierbrauer Georg Lang, das Vorbild für den intriganten Serienpatron Curt Prank (Misel Maticevic) in »Oktoberfest 1905«, war in Wirklichkeit ein lustiger, netter Kerl – bzw. Mannsbild. Er mochte riesige Blasorchester, hatte gern seine Freunde um sich und verteilte Liedtextheftchen für den Gemeinschaftsgesang. Lang ging das mit Lang nicht gut – der Stress! Er starb zu früh an Magenkrebs. Sein einziges Vergehen zu Lebzeiten waren Geschwindigkeitsüberschreitungen mit der Kutsche. Und die Erfindung des Trinkspruchs: »Oans, zwoa, drei, g’suffa!«
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Für den BR musste also mehr Drama her. Eine Mischung aus historischem Familienepos und Heimatserie sollte es werden – und ein Quotenknaller sowieso. Dieser Wunsch blieb schon für die erste Staffel unerfüllt, und auch die zweite schmierte nach den ersten Folgen ab. Rivalisierende Großkonzerne mit etwas verbotener Liebe und einigen Leichen zwischendurch … Das kennt man ja.
Dabei hätte es so schön werden können! In den ersten Sendeminuten wird in »Oktoberfest 1905« alles aufgefahren. Der Brauereikönig Curt Prank richtet in einem Duell die Waffe auf den Schwiegersohn und Teilhaber Roman Hoflinger (Klaus Steinbacher). Das Mann-zu-Mann-Duell – eine hübsche, leider vergessene Tradition!
Wer wissen will, ob der Alte wirklich abdrückt und warum der blutige Zwist unausweichlich war, bleibt dran. Bevor es richtig schmutzig und düster wird, gibt es Sex unter bayerischem Himmel: Roman und seine Frau Clara jagen sich durchs Kornfeld. Natürlich sieht man nichts außer einem Kuss. Es ist auch schnell vorbei mit der Romantik, denn Roman gesteht, dass er hinter Claras Rücken das Gerstenfeld gekauft hat.
Das ist der Grund allen Übels: dass der Gatte inadäquat mit der Gattin kommuniziert. Und dass viel zu wenig Bier getrunken wird. Alle sind schlecht gelaunt, gehen sich in jeder zweiten Szene an die Gurgeln und sprechen viel zu selten Bairisch.

Clara, die einzige Frau, die in dieser Serie nicht geschändet, aber wenigstens ordentlich gedemütigt wird, fällt auf einen Liebesschwindler herein. Aber sie wehrt sich. Kurz flammt die Hoffnung auf, sie könnte den Laden übernehmen und den Kerlen das Bier zuteilen. War das zu viel Fiktion für den BR? Clara strebt nicht nach Macht, und Mercedes Müller spielt sie so leidenschaftslos, dass ein Zahnarztbesuch vergleichsweise erotisch wirkt. Als sie spontan auf der Straße vom verliebten Russen geküsst wird, schaut sie, als wäre ihre Parkuhr abgelaufen.
Aber diese versifften Straßen, die Kutschen, die Pferde, die Kostüme und sogar ein Pfau – alles ist perfekt! Der Arbeiterschweiß, das schale Bier, die Pferdescheiße und die warme Blutsuppe: Man riecht das förmlich. Wenn München so aussah vor 120 Jahren, dann war die Wiesn ein Ort der Hochkultur.

Das Drama nimmt seinen Lauf, als der Bierbaron unbedingt eine Achterbahn auf der Wiesn bauen will. So ein Schmarrn – das lenkt doch nur vom Saufen ab. Die Mannsbilder hauen auf Holztischplatten und drohen, sich gegenseitig ihre Taschenmesser in die Beine zu rammen. Das darf der Zuschauer für seine Gebühren auch verlangen – schließlich ist Bayern seit der Musikantenscheune und mit Markus Söder das fröhlichste aller Bundesländer.
Hübsch anzusehen ist das gefallene Wiesnschankweib Colina Kandl (Brigitte Hobmeier). Nachdem sie den Kerker mit einer Abschlussvergewaltigung hinter sich gelassen hat, wird sie ein Star im Münchner Nachtleben und hat schließlich die Idee, mit nackten Weibsbildern auf Rössern durchs Wiesnfestzelt zu reiten. Warum? »Was treibt die Fantasie eines Mannes mehr an als a nacktes Weiberlein? A nacktes Weiberlein auf an Pferdl.«
Jetzt nur noch rasch alle Intriganten ermorden, die Eheleute versöhnen und die Kutsche schmücken – »O’zapft is!« Dann könnte der Spaß beginnen!
Aber da ist die Serie am Ende.
FELICE VON SENKBEIL
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