Erstmal den Kadaver hochfahren

FERNSEHEN

Messies sind immer spannend. Wenn sie obendrein adipös sind und eine exotische Mundart sprechen, müssen sie unbedingt ins Fernsehen!

Das ZDF widmet »Waldi« Walter Heinrich Lehnertz, Künstlername: »80-Euro-Waldi«, eine eigene Doku-Reihe, bevor RTL ihn wegschnappt. Der Sender hofft, damit einige schlichtere Zuschauer anfixen zu können. Denn eine Leerstelle ist zu füllen: Der Raab ist (früher als erwartet) von uns gegangen, und so viel langweiliger als ein Metzger aus Köln ist ein Pferdewirt aus der Eifel auch nicht.

Dank Formaten wie »Waldis Welt« wird das Bildungsbürger-Fernsehen-Image des Senders endlich revidiert. Neue Maßstäbe werden gesetzt. Das Programm wird sozusagen ein einziger »ZDF-Fernsehgarten«.

Matthias Kiefel

Zu verdanken hat das die Intendanz vorzüglich dem Dauererfolgsprogramm »Bares für Rares«.

Das Ramsch- und Trödel-Format hat eine Schwemme an markanten Typen etabliert, die nun einzeln abgefrühstückt werden können. Waldi ist einer dieser talentierten Ableger. Seit Jahren ist die Flohmarkt-Show eine feste Instanz im Leben sehr vieler deutscher Rentenempfänger. Von Montag bis Freitag ab 15:05 Uhr ist Trödelmarkt-Zeit. An den Wochenenden gibt es Spezial-Ausgaben. Da wird dann noch abgefahrenerer Krempel vorgeführt. Sie kommen in bunten Allwetterjacken, dürfen ihre Dialekte unverlacht verbreiten und in ihren Lieblingsthemen schwelgen: Geld und Nazis. Mancher Gebührenzahler hat vielleicht noch ein schönes Stück »von den Leuten, die vorher in unserer Wohnung gewohnt haben« und dann unerklärlicherweise von heute auf morgen mit einem Sammeltransport verreist sind. Auch das SA-Abzeichen vom Großvater und den Wehrmachtshelm könnte man doch mal herzeigen – jetzt, da die Stimmung in Deutschland geschichtspositiver ist.

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Und weil jeder hofft, den Nachttopf von Göring oder die verrostete

Pickelhaube von Bismarck geerbt zu haben – und dass beim Verkauf die Finanzierung der Solaranlage fürs Eigenheim rausspringen könnte –, schauen Millionen diese Sendungen, kichern dem öligen Humor des Trödelheinis Horst Lichter hinterher (»Meine Lieben, was habt ihr denn Schönes mitgebracht!«), und folgen nun einem der Krempel-Experten bis in dessen Heim, »in de schönne Eifel bei de Waldi«.

Er nennt sich Kuschelbär. 120 Kilo Menschenmasse zum Anfassen, mit Zweitname »Chaos«. Gern bestückt er seine Kundinnen ebenfalls mit Kosenamen und drückt sie gegen sein viszerales Fettdepot. Auch Herren werden geherzt. »Die kommen als Kunden und jehen als Freunde …«, nachdem ihnen Waldi für’n Taschengeld ihre Schätze abgeschwatzt hat. »Na meijn Schätzeken, dat is mal wat fürn Sperrmüll, ne … kannste gleisch wieder uaden … Ach komm, ich geb dir 80 Euro.«

780 Quadratmeter Trash, verwaltet von seiner Holden, der Sonja. »Mit der scheppert es auch mal gewaltig, aber es funktioniert.« Und wie es funktioniert. Der Waldi öffnet sechsmal im Jahr seine Rumpelkammer für seine »Schätztage« und spielt »Bares für Rares« einfach nach. Alle kommen: die prominenten Antiquitäten-Kenner aus der Sendung, die natürlich sehr dicke Freunde vom Waldi sind, und die lieben Waldi-Fans – in Reisebussen mit ihrem Nippes im Gepäck. »Wenn Waldi sagt, das ist was, dann ist es was.« Man kann die Geldscheine förmlich riechen, zwischen Staub, Rost und Patina.

Aber bevor »die Irren« ihm wieder die Bude einrennen, muss der Waldi erstmal den »Kadaver hochfahren«. Das macht er mit Kippe und Kaffee und schickt die Holde zum Brötchenholen. In breitem Eifeler Platt klingt so ein Befehl wie die Liebkosungen für ein heimgekehrtes Kätzchen. »Ein Mann wie er braucht eine Frau, die ihm den Rücken freiräumt« und die Unterhose über die Arschritze zieht, wenn das Fernsehen im Haus ist.

Dann ist es endlich so weit, der Waldi grüßt über Facetime seine Fans und kündigt den großen Tag an. »Schätztag in der Eifel, und alles, was passieren kann, passiert.«

Leider nicht alles, nur die Klos laufen über und der Waldi hat’s so richtig dicke.

Aber davon lässt er sich »de jute Laune nisch vamiesen«. Der Waldi singt nämlich auch. Den Song »Margherita« schrieb ihm sein netter Italo-Kumpel und beide träumen schon vom Ballermann. Der lebensbejahende Text geht ins Ohr, ihn gibt‘s auf CD und sicherlich auch bald bei Andrea Kiewel.

Die Fans jedenfalls, »de lieven misch …«, stellt der Waldi uneitel fest und frisst seine Kippen. Das reicht Herrn Lehnertz aber nicht. Der weiß, wie man »de Leut de Moneten us den Tesch ziehen tut« und vermarktet sich und sein Reich, als wäre er bei RTL. An zwei Krimiromanen soll er mitgeschrieben haben. Die werden auf den Kaffeefahrten, die der Waldi nebenbei auch noch macht, unter »de lieve Leud jebracht«. Und dann ist da noch die Kunst. Mit seinen »Waldinis«, ähnlich den Ottifanten von Otto, hat Waldi was »rischdisch Jeiles« zum Verkaufen erfunden.

Dafür zwingt er seine Freunde, ihre Ärsche pinseln zu lassen. Mit den Gesäßabdrücken wird der Waldi dann wahnsinnig kreativ. Für ein Kunstwerk vom Pferdewirt legen die Fans einige Scheine auf den Tresen und der Waldi kann seine Trödelscheune in der Eifel mal richtig durchheizen.

Und auf dem Lerchenberg freut sich die Intendanz über die neue Volksnähe des Senders. Und wer keinen Spaß versteht, soll eben Deutschlandradio hören.

FELICE VON SENKBEIL

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