Ein Anruf bei Dirk Peglow

Herr Peglow, Sie sind Vorsitzender des Bundes Deutscher Kriminalbeamter und fordern ein allgemeines Messerverbot.

Das ist korrekt. Und ich freue mich schon darauf, die Einhaltung des Verbots kontrollieren und mit vermeintlichen Handwerkern darüber diskutieren zu dürfen, ob es sich bei dem mitgeführten Teppichmesser um eine Waffe oder ein zur Berufsausübung nötiges Werkzeug handelt.

In der bundesweiten Kriminalstatistik werden seit 2022 Messerdelikte gesondert ausgewiesen. Mit der Zahl von 2023 liegen also zwei Zahlen vor.

Und diese zwei Zahlen kennen nur eine Richtung: steil nach oben. Die erste war niedriger, die zweite höher. Das ist ein klarer Anstieg. Das können Sie auch in jedem seriösen Presseerzeugnis nachlesen. Ich habe das mal hochgerechnet: Wenn wir diesem immer irrer werdenden Irrsinn nicht Einhalt gebieten, könnte es sein, dass bereits im Jahr 2031 alle zwei Sekunden jemandem die Kehle auf -geschlitzt wird. Und das alleine in Berlin-Neukölln.

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Ihr Kollege, der Bundesvorsitzende der Gewerkschaft der Polizei Jochen Kopelke, hat vorgeschlagen, dass der Staat allen ein Netflix-Jahres-Abo bezahlen soll, die freiwillig ihr Butterfly-Messer abgeben. Oder zumindest irgendein Butterfly-Messer. Was halten Sie davon?

Über die Vorschläge von Kollegen möchte ich nicht urteilen. Der Kollege hat als Gewerkschafter einen Job, für den er wiedergewählt werden möchte. Da macht man natürlich auch mal Vorschläge, die vielleicht bei mit Netflix konkurrierenden Streaming-Diensten unpopulär sind, die aber seinen Kollegen zeigen: Mensch, der Kopelke ist aber ein intelligenter Typ mit frischen und praktischen Ideen, dem haben sie nicht etwa bei Einsatzübungen zu oft mit dem Taser einen verpasst, der Jochen Kopelke, das ist ein solider Denker, ein erwachsener Mensch in Führungsposition, nicht einer, an dem zu oft mit dem Schlagstock geübt wurde, dem gebe ich meine Stimme. Aber wie gesagt, darüber möchte ich nicht urteilen.

Was ist mit Beilen oder Kettensägen? Darf ich die bei mir führen?

Das sind, anders als Messer, eindeutig Werkzeuge, und die sind für das Waffenrecht unerheblich. Oder haben Sie schon mal was von Beil-Buben und Kettensägen-Kerlen gehört? – Eben. Aber die Messer-Männer kennt dank der Springer-Presse jeder.

Freimut Woessner

Wie viele dieser Messer-Männer schauen regelmäßig ins Bundesgesetzblatt, um über eventuelle Änderungen bei Klingenlänge oder Strafrahmen auf dem Laufenden zu bleiben?

Das weiß ich nicht. Aber wer regelmäßig Personen absticht, sollte allein schon aus einem professionellen Selbstverständnis heraus auf dem Laufenden bleiben. Es ist ja nicht etwa so, dass es sich bei den Tätern meistens um alkoholisierte Soziopathen handelt, denen Konsequenzen egal sind.

Gäbe es noch andere Möglichkeiten, als mit einem Mal sämtliche Messer zu verbieten?

Sicher könnte für den Anfang eine Ausweitung der zeitlichen Verbote, die es jetzt schon gibt, genügen. Man denke nur an den Kollegen, der in Mannheim er -stochen wurde, weil auf dem Mannheimer Marktplatz zwar bereits jetzt ein Messerverbot gilt, allerdings erst ab Freitagabend bis Montag früh. Der Mord geschah Freitagvormittag. Mit einem ganztägigen Messerverbot hätte diese Tat verhindert werden können. Da muss dringend nachgemessert, äh, nachgebessert werden.

Manche behaupten, die Messerverbote an bestimmten Plätzen seien eigentlich nur eingeführt worden, um der Polizei einen niedrigschwelligen Anlass für Personenkontrollen zu liefern, die sie andernfalls nicht durchführen dürften. Wäre es nicht einfacher, racial profiling, also die anlasslose Kontrolle von Nicht-Weißen, zu erlauben?

Auf keinen Fall! Racial profiling ist rassistisch, so sind wir nicht. Aber es ist nun mal so, dass wir bei Nicht-Weißen häufiger Messer finden, weshalb wir diese Personengruppe häufiger kontrollieren und dann mehr Messer finden, weshalb wir Nicht-Weiße wieder häufiger kontrollieren, wobei wir Messer finden und so weiter. Das ist ein Teufelskreis, und die Nicht-Weißen weigern sich, ihn zu durchbrechen.

Aber ist ein Komplettverbot von Messern nicht etwas lebensfremd?

Selbstverständlich muss es im Prinzip erlaubt bleiben, Dinge mittels einer scharfen Klinge zu zerteilen. Und auch beim Mitführen müssen Ausnahmen möglich sein, z.B. bei einer Person, die glaubhaft machen kann, dass sie Samurai ist, oder eine amtliche Bescheinigung vorweisen kann, die sie als professionelle Butterbrot-Schmiererin ausweist. Alles andere wäre tatsächlich lebensfern und viel zu unbürokratisch. Aber die Ausnahmen gibt es bereits heute. Von einer Strafverfolgung ist z.B. abzusehen bei »Personen, die Messer im Zusammenhang mit der Brauchtumspflege oder der Ausübung des Sports führen«.

Interessant. Ich dürfte also ein Messer mitführen. Denn wie schon mein Ururgroßvater schnitze ich auf traditionelle Weise Schachfiguren, Zahnstocher und Phallussymbole.

Ehrlich?

Quatsch. Aber das weiß doch der Polizist nicht, der mich kontrolliert.

Vorsicht mit dem, was Sie da sagen. Lügen ist nämlich auch verboten. Sie sollten öfter ins Bundesgesetzblatt schauen! Ich schicke mal ein paar Kollegen bei Ihnen vorbei. Markgrafendamm – ist die Adresse noch korrekt? Hallo?

CD

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