Selbstverzehr

Letzten Freitag hatte es das Restaurant satt. Es wollte nicht länger wildfremden Menschen dabei zusehen, wie die sich bei Kerzenschein und lauten Gesprächen den Wanst vollschlugen. Stattdessen begann die Gastwirtschaft, sich selbst zu verzehren. Das Besteck auf den Tischen verschlang die Servietten, die Gardinen fraßen das Mobiliar, und die Theke wurde zum Hauptgericht des Küchenherds. Als Kompott gab es Glühbirnen. Wer nicht alles schaffte, bekam die Reste sauber in Tapete eingewickelt zum Mitnehmen. Bezahlen musste niemand, denn die Kellner hatte man gleich zu Anfang als »Gruß aus der Küche« serviert. Nach einer Weile war es in den Räumlichkeiten auffallend leer geworden. Nur die Bodenfliesen schielten noch hungrig auf die Türklinken.
Dem Finanzamt kam die Sache verdächtig vor, denn für selbstverzehrende Gastronomiebetriebe kannte es keine Gewerbeeinstufung. Also wurde ein Betriebsprüfer entsandt, um die Angelegenheit vor Ort zu kontrollieren. Kaum dass er den Gasthof betreten hatte, fand er sich auch schon sauber zerlegt und hübsch garniert auf einer der letzten Bratenplatten wieder. Die verbliebenen Speisekarten aktualisierten das Tagesgericht und applaudierten durch langanhaltendes Auf- und Zuklappen. Der Wirtschaftsprüfer aber registrierte als letzte Amtshandlung, dass hier offenkundig keine Gewinnerzielungsabsicht vorlag, sondern nur die Befriedigung eines natürlichen Bedürfnisses. Dann wurde er in Weinbrand flambiert.
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