Mal herzhaft über nichts lachen

FERNSEHEN

Das ZDF wird immer cooler. Jeder, der vor die Kamera will, nicht viel kostet, gewaschen ist, kein Silberbesteck klaut und nicht Israels Wüten in Gaza kritisiert, bekommt eine Chance. Knackige Jungtalente um die Vierzig, wie der nette Till Reiners, machen am Freitagabend das Familiensofa zur Witze-Suhle. Was ist das für ein Sonnenscheinchen, dieser Comedian aus der »heute-show«-Krabbelgruppe! Sohn zweier Germanisten aus Geldern, guter Schüler mit Schalk im Polohemdkragen – hat sich fleißig hochgegrinst. Till ist frech und schmierig gleichzeitig und hat ein Gesicht, das nicht mal von seiner eigenen Face-Verification erkannt wird.

Nun durfte er als Sommerpausenclown etwas völlig Verrücktes probieren, eine Late-Night-Show. Das Entertainmentformat der Neunziger, der abendliche Pflichttermin bei Harald Schmidt.

MAXIM SEEHAGEN

Viele haben es seitdem versucht; Torsten Sträter (WDR), der auf politisch macht, Felix Lobrecht (ARD), der die Jugend anlocken muss, Carolin Kebekus (ARD), die einfach nur lustig sein will. Niemand, außer Jan Böhmermann, ist diesem Format gewachsen. Und auch der bringt die Massen nicht mehr in Wallung, wenn es mal nicht ums Eselficken oder die Menstruationsscham geht.

Es gab Zeiten, da wurde über die Late-Night-Show in der U-Bahn gesprochen, an den Melkmaschinen, in den Kreißsälen und an den Zapfsäulen, beim Freigang in Moabit, nachts auf dem »Kursfürsten-Strich«. Vorbei – jeder hat was anderes geguckt, aufs Handy gestarrt oder einen der tausend Podcasts gehört. (Ich glaube ja nicht, dass auch nur ein lebender Mensch mehr als eine Folge Podcast hört, es sei denn, seine Kraft reicht nicht, sich nach fünf Minuten die Stöpsel aus dem Ohr zu reißen.)

Wenn kein Gemeinschaftsempfang mehr stattfindet – ist das gut oder schlecht für unseren Till? Gut natürlich! Er braucht keinem was zu beweisen, kann einfach nett sein, dann mal wieder frech und zur Abwechslung einfach nur nett.

Für die Fahrt zu seiner ersten Show durfte er sich von Klaas Heufer-Umlauf das Auto leihen, und der fragte ihn brüderlich: »Bist du dir sicher, dass du das tun willst? … Late-Night ist tot, mausetot. Aber ich will dir nicht die Laune verderben.« Till, er durfte fahren – wurde ein wenig blass.

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Entweder hat man im ZDF Humor oder jeder weiß, dass der Till auch nur ein Versager von vielen sein wird. Dabei liegt ihm die Welt zu Füßen; eine Show mit Studiopublikum, eigenem Jingle, Drehbühne, Schreibtisch und zwei Sesseln – was will man mehr? Mit den Möbeln, hat ihm der Intendant gesagt, kann er machen, was er will, nur kein offenes Feuer. Er kann den Kanzler angehen, den Spahn kurz und klein kalauern, Heidi Reichinnek parodieren, die AfD lobpreisen. Und wenn er nichts macht von alledem? Auch egal.

Er hätte maulschnelle Gäste einladen können (natürlich nicht schon wieder Gysi), turbulente Einspieler produzieren, Reste aus der »heute show«-Redaktion verwerten.

Aber der Till Irgendwer sagt: »Ich weiß, es ist viel Schlimmes los da draußen, aber wir konzentrieren uns auf das Positive …« Dann lobt er Kanzler Merz für seine ersten 100 Tage im Amt. Denn der war wenigstens anwesend. Dabei spricht Reiners betont langsam und zieht die Pointen lang wie einen Bandwurm. Das hilft auch denen, die keinen Schimmer von der Welt draußen haben, an den richtigen Stellen zu lachen. Till weiß, seine Zuschauer rutschen sich die Arschbacken wund, wenn sie nicht wissen, wo sie lachen sollen – das beleidigt ihre Intelligenz.

Nur ein Typ ohne Titten und kein Musik-Act zwischendurch, das kann schnell langweilig werden. Aber Till Reiners ist einer von ihnen, einer der es den Leuten gern leicht macht: »Ich hab auf Handy gelesen, boah, Krieg … dann wieder kein Krieg, dann wieder Krieg, dann wieder vorbei … hoffen wir, dass es so bleibt …« Natürlich, hoffen wir das Beste! Applaus – ziemlich nah am (nur nicht von Dieter Nuhr) gefürchteten Bekenntnisbeifall …

Dann die Klimax: »Ich bin katastrophenmüde … Was trage ich jetzt zum dritten Weltkrieg? Sportlich-elegant? Ich bin Comedian, bei Krieg bin ich raus, passt mir gar nicht.« Das kommt gut – wer hat schon Bock auf Krieg! »Krieg ist ja auch so was wie Workout.« Da lachen nur noch wenige, aber der Reiners reitet das Thema weiter: »Bald müssen wir alle wieder zum Bund, auch ihr Frauen!« Haha. Und jetzt der Knaller: »Ohne mein Nackenkissen wär das gar nichts für mich.«

Etwas Abwechslung und auch was fürs Auge – seine Produzentin neben der Kamera, die Till hilft, immer nett zu bleiben. Sollte er mal zu frech werden, rollt Sally Özcan die Augen und schüttelt lächelnd den Kopf, so als würde der kleine Bruder mal wieder »Scheiße« sagen am Essenstisch. Manchmal hat auch Sally eine lustige Idee:

Weil die Weltlage so öde ist, könnte man eine Homestory mit Till Reiners machen. Das wollen die Leute doch wissen – wie der neue Star im ZDF-Universum zu Hause rumschlurft.

In der Folge »Jetzt wird geheiratet« castet sich Till Reiners eine Familie zusammen und mietet sich in eine Villa ein. Ein Fernsehteam geht der »Familie« auf den Leim. »Ha, die dachten echt, das wäre meine Familie, ich lach mich tot.« Das ist Humor, den Deutschland braucht.

Danach kommt ein Influencer als Studiogast, der Ballerspiele kommentiert und Zwerggarnelen züchtet. Das ist auch sehr komisch. Die beiden Männer tauschen sich über die deutsche Neidkultur aus, mit der sie nichts zu tun haben wollen. Wie alle Gäste fühlt sich auch HandOfBlood pudelwohl bei Till, und es wird gekichert wie in der Hofpause beim Schwanzvergleich.

Ich find’s (falls es jemanden interessieren sollte) prima. Lasst uns einfach mal nett sein und über nichts lachen! Den schlimmen Scheiß in der Welt da draußen kann der Welke nach seinem Urlaub wieder übernehmen.

FELICE VON SENKBEIL

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