Künstliche Intellenz für alle!

FERNSEHEN

Oh my god! Die Drehbuchautoren in Hollywood streiken. Dramatische Auswirkungen soll dieser Arbeitskampf für Serien-Junkies haben. Die beliebtesten Seriendarsteller wie Millie Bobby Brown aus »Stranger Things« liegen im Prinzip im künstlichen Koma. Sogar der Präsident der USA soll sich für die Belange der Autoren interessieren. Ohne Serien ist Amerika nicht regierbar, Menschen könnten auf die Idee kommen, ihre Häuser zu verlassen, um spazieren zu gehen. Oder das Capitol zu erstürmen.

Jan Tomaschoff

Die Autoren wollen mehr Geld und fürchten zudem, von künstlicher Intelligenz ersetzt zu werden.

Bei uns ist man da schon weiter. Intelligenz ist nämlich gar nicht nötig, um eine nette Vorabendserie fürs ZDF zu schreiben. Es braucht nur ein paar gemütliche Muttis, die von ihren Freundinnen erzählen und ihren Job lieben. Ein netter Arbeitsplatz, wie etwa eine Kinderwunschklinik, eine Tierarztpraxis oder eine Bergrettungswache, bietet frische Geschichten.

Dazu bekommen alle Figuren ein kleines Trauma – sie sind Trennungskind, ihr Hund wurde überfahren oder sie sind in der Schule gemobbt worden –, das immer mal wieder bespielt werden kann. Gut ist auch ein schwieriger Ehemann – Firma in Gefahr, Erektionsprobleme, mit dem falschen Geschlecht geboren –, schon kann gedreht werden. Natürlich tragen die Redakteure sehr viel Kreatives zu dem Produkt bei, was Autoren noch überflüssiger macht. KI wäre Geldverschwendung. Das ist wie beim Krabbenpulen: Menschliche Finger sind immer noch billiger als jede Maschine.

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Große Kinoknaller wie der »Manta Manta – Zwoter Teil«-Streifen von Til Schweiger wären für KI eine Herausforderung. Die Figuren bleiben so schlicht wie im ersten Teil, Thema, Ziel und Ende sind von Anfang an klar und zwischendurch gibt’s Humor, der die Gürtellinie nach oben hin nicht überschreitet.

Da wird es schwierig für KI. Was so lustig ist an nackten Titten und hässlichen Bräuten, erkennt die KI einfach nicht. Da braucht es die Genialität eines Til Schweiger! In sein Gehirn müsste man rein kriechen, um auf so witzige Witze zu kommen wie: »Der ist zahm wie ein Meerschweinchen. Oh, ich hab aber ne Tierhaarallergie …« Wenn das nicht komisch ist … Vielleicht war da neben Schweiger auch noch ein Drehbuchautor beteiligt, das kann sich einer alleine gar nicht ausdenken.

Für die Freunde deutscher Serien gibt es keinen Grund zur Sorge. Ein Streik der Autoren ist unwahrscheinlich. Die Redaktionen für Dauerbrenner wie »Rote Rosen«, »Traumschiff«, »Tatort« oder »Sachsenklinik« haben ihre Autoren in fensterlose Büros gesperrt und belohnen sie mit Ausflügen ins »Tropical Islands«. Da gibt es keinen Grund zum Jammern.

Der Verband der Deutschen Drehbuchautoren, der VDD (nicht zu verwechseln mit dem VDD, dem Verband der Diätassistenten; dem VDD, dem Verband der Diözesen Deutschlands; und dem VDD, dem Verband der Distanzreiter), wäre gar nicht dazu in der Lage, einen Streik zu organisieren. Die müssen ja alle arbeiten, als Aushilfslehrer oder Essenauskeller oder Komparse.

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Auch die KI muss hier keiner fürchten. Alles, was KI leisten könnte, machen die deutschen Autoren für weniger, als die KI an Strom kostet. Mehr Geld würde außerdem den kreativen Druck mindern, und das wiederum würde die Qualität senken. Und an die haben sich die Zuschauer doch so gewöhnt.

FELICE VON SENKBEIL

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