Ein toller Kerl!

14. Oktober 2025 4 min read

Vaginen sind in aller Munde, wenn man das so sagen darf. Das Internet, die Werbung, die Liebesratgeber – überall Vaginen! Die Prostata hingegen führt ein Schattendasein, was vermutlich daran liegt, dass sie sich schlecht fotografieren lässt. Dabei könnte man durchaus einen offeneren Umgang mit ihr pflegen – bei Google ist sie z. B. nicht als obszönes Wort gesperrt.

Mein Urologe ist erfrischend direkt. Als ich vor Jahren das erste Mal bei ihm war, hielt er mir den nackten Mittelfinger seiner rechten Hand unter die Nase und sagte: »Sie ahnen nicht, Herr Müller, wie viele Leben der gerettet hat.« Hier bist du richtig, dachte ich.

Zusätzlich zu der jährlichen Vorsorgeuntersuchung mit dem begnadeten Finger lasse ich immer den PSA-Test machen. Der kostet natürlich, denn er ist eine IGeL-Leistung. Eine, von der die IGeL-Kommission sagt, sie sei unnötig, vielleicht sogar schädlich. Stimmt denn das, Herr Doktor? »Nein, Herr Müller«, sagt der Urologe, »denn wenn mein Finger was entdeckt hat, ist es ja meist zu spät …«

Hm, rettet sein Wunderwerkzeug also neuerdings kein Leben mehr? Ist es abgestumpft, vielleicht von den herbstlichen Tätigkeiten im Garten? Egal, mein PSA ist jedenfalls immer hervorragend. Das ist aber wohl kein Grund zur Freude: »Eine vierteljährliche oder wenigstens halbjährliche Kontrolluntersuchung, Herr Müller – nicht wahr, das ist natürlich immer …«, murmelte der Arzt. Und die kostet zusätzlich, das ist klar!

Als ich am Tresen brav »Auf Wiedersehen« sagte, umwehte mich bereits ein kalter Hauch: »Der Doktor hat es Ihnen angeboten, aber Sie müssen’s ja wissen …«

Seit Wochen versuche ich nun den neuen jährlichen Vorsorge-Termin zu vereinbaren. »Herr Müller? Ewald Müller?« Pause, Schnaufen. »Bis auf Weiteres nur für Selbstzahler.«

Ja, gut, dann bitte, und gern auch halbjährlich! Ach, was sage ich – vierteljährlich! Und gern mit Vorauszahlung. Es geht ja um Leben und Tod, nicht wahr. Und bitte auch mit Praxisgebühr, der Arzt muss ja auch leben. Und falls eine tödliche Krankheit mich hindern sollte, den Termin einzuhalten – 50 Prozent des entgangenen Honorars, das wäre nicht zu viel verlangt. »Im Vertrauen: Würde sich der Doktor über einen Präsentkorb zu Weihnachten freuen? Sein Finger tut doch so viel Gutes.«

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»Moment, Herr Müller, Ewald Müller, stimmt doch?«, sie verschwindet. Und kommt wieder: »Der Doktor hat gelacht«, sagt sie und lacht nun ihrerseits selber, »er freut sich auf Sie!«

Ein toller Kerl!

Probleme im Gesundheitswesen? Kann ich nicht erkennen. Jedenfalls nicht in Korrelation zu meiner Prostata.

Neuerdings kann man sogar seine Patientenakte einsehen. Da erfährt man, wie krank man in den letzten 50 Jahren wirklich war. Der Einblick in das Konvolut ist allerdings nur dauerhaft Bettlägerigen zu empfehlen. Denn man muss allen irdischen Dingen (essen, »Riverboat« gucken) entsagen und seine Restlebenszeit darauf verwenden, Dutzende Passwörter zu generieren, Speichelproben abzugeben und Gesichtserkennungssysteme zu überlisten. Nach fünf Tagen war ich drin.

Was soll ich sagen? Ich habe sieben Fälle von Arztbetrug entdeckt und weiß nun, warum die Patientenakte besser vor Zugriff gesichert ist als die britischen Kronjuwelen. Nur einer meiner Behandler war eine ehrliche Haut: Mein Zahnarzt hat der Krankenkasse tatsächlich nur die Zähne berechnet, die er gezogen hat.

Und der Akte zufolge bin ich auch beschenkt worden: Ein Internist hat mir vor Jahren ein Analbleaching gegönnt! Ich wusste nichts davon. Es muss unter Vollnarkose geschehen sein (keine Ahnung, wie er das abgerechnet hat).

Ob das Bleaching seine Ausstrahlungskraft behalten hat? Mit einem raffinierten System von Spiegeln könnte ich … Aber es gibt auch diese und jene Person, die mir hilfreich …

Ach was, Hauptsache, von Kopf bis Anus gesund!

EWALD MÜLLER